Endlagersuche stößt in Bayern auf Granit
Staatsregierung schließt in Sondervotum das gesamte Landesgebiet aus - Bürgerinitiative im Bayerischen Wald kündigt Proteste an
Das niederbayerische Thurmansbang liegt 15 Kilometer nördlich von Passau. Die Gemeinde mit ihren 2400 Einwohnern ist bekannt für das alljährliche »Elefantentreffen«, bei dem sich Motorradfahrer im Januar bei Schnee, Eis und Schlamm ein Stelldichein geben. Der Luftkurort steht wie andere Orte des Bayerischen Waldes auf Granit. Das Gestein könnte einen möglichen Standort für ein atomares Endlager beherbergen, meint die Bundestagskommission zur Standortsuche für ein Atommülllager. Das sieht die bayerische Staatsregierung ganz anders: »Die Gesteine in Bayern sind nicht für ein Endlager geeignet - das gilt für Granit, Ton und Salz«, hält Landesumweltministerin Ulrike Scharf (CSU) in einem Sondervotum der Kommissionsforderung nach einer ergebnisoffenen Prüfung kategorisch entgegen. Und auch die Bevölkerung im Bayerischen Wald meldet Widerstand an. »Wer meint, uns als Atomklo benutzen zu können, der muss mit dem gleichen Desaster rechnen wie in Wackersdorf«, meint Martin Behringer (Freie Wähler) - er ist Bürgermeister von Thurmansbang und Vorstand der Initiative gegen ein Endlager im Saldenburger Granit.
Obwohl Bayern seit Jahrzehnten als von der Landespolitik gehegter Standort für Atomkraftwerke Unmengen an Atommüll produzierte, schließt die Staatsregierung jetzt eine Endlagerung des radioaktiven Materials auf heimischem Gebiet aus. In den vergangenen Jahren galten die Granitvorkommen im Bayerischen Wald, aber auch die Berchtesgadener Salzstöcke und die Tonschichten an der Donau bei Neu-Ulm als potenzielle Standorte. Jetzt heißt es aus dem Umweltministerium, die bayerischen Gesteinsvorkommen böten die notwendige geologische Barrierewirkung nicht. Laut einem Ministeriumssprecher müsse das Wirtsgestein für ein Endlager mindestens 100 Meter dick sowie ohne Risse und Spalten sein. Diese Voraussetzungen seien in Bayern nicht gegeben. Umweltministerin Scharf formuliert dazu: »Wir brauchen in den Stein gemeißelte Sicherheit.« Die könne Bayern geologisch aber nicht bieten.
Dabei ist hier atomarer Müll längst zwischengelagert. Das ist so im abgeschalteten unterfränkischen Atomkraftwerk Grafenrheinfeld, wo ein Teil des strahlenden Mülls noch im Abklingbecken auskühlt. Der Rest liegt in Castorbehältern, unter meterdickem Beton eingeschlossen, in einem Zwischenlager auf dem Kraftwerksgelände. Ähnlich sieht es an den beiden anderen bayerischen AKW-Standorten aus.
Grund für den Fraktionschef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, von einem »Desaster für die bayerischen Zwischenlagerstandorte« zu sprechen. Deren Anwohnern drohe bis zum Ende des Jahrhunderts ein »De-facto-Endlager« vor der Haustür mit allen damit verbundenen Risiken.
Natascha Kohnen, Generalsekretärin der bayerischen SPD und energiepolitische Sprecherin ihrer Landtagsfraktion, hält das Sondervotum der Staatsregierung in Sachen atomares Endlager zu so einem frühen Zeitpunkt für »problematisch«. Alle Bundesländer müssten die gleiche Verantwortung bei diesem Generationenproblem tragen, das sich nur miteinander lösen lasse.
Auch die Grünen-Landesvorsitzende Eike Hallitzky findet das Sondervotum der Staatsregierung falsch: »Das von der CSU jahrzehntelang geförderte Atomzeitalter ist mit dem Atomkraftausstieg noch längst nicht vorbei. 25 Prozent des deutschen Atommülls kommen aus Bayern. Da sollte es selbstverständlich sein, dass Bayern die Kommission bei der bundesweit offenen Endlagersuche unterstützt.« Ministerin Scharf behindere die gerade beginnende Suche mit ihrer vorzeitigen Festlegung, dass Bayern für ein Endlager nicht in Frage komme. Welche Gesteine für ein Endlager geeignet sind oder nicht, sollte von Experten und nicht von der CSU-Zentrale entschieden werden.
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