Handelt es sich bei Berliner Brandstifter um Informanten?
Beamte haben einen Autozündler ertappt - Nach Vorwürfen soll es sich um einen Ex-Linken handeln, der mit der Polizei kooperiert
Die Berliner Polizei hat in der Nacht auf Mittwoch einen Auto-Brandstifter auf frischer Tat ertappt und festgenommen. Er war in Lichtenberg von Zivilbeamten beobachtet worden, wie er an mehreren Fahrzeugen Brände zu legen versuchte. Bei zwei Autos misslang ihm dies, bei einem dritten konnten Polizisten das Feuer löschen. Verletzt wurde niemand, wie die Polizei mitteilte.
Geprüft wird nun, ob es einen politischen Hintergrund gibt und ob der 26-Jährige auch für weitere Brandstiftungen verantwortlich ist. Momentan führe noch das Brandkommissariat die Ermittlungen, der Staatsschutz sei noch nicht eingeschaltet, sagte ein Polizeisprecher gegenüber »nd«. Die Ermittlungsgruppe »LinX« überprüfe aber einen möglichen Zusammenhang zu wiederholten Polizeieinsätzen in der Rigaer Straße. »Diese Festnahme eines Tatverdächtigen ist kein Zufallstreffer, sondern das Ergebnis vorheriger Ermittlungen. Es ist hervorragende Arbeit, die da geleistet wurde«, sagte Innensenator Frank Henkel (CDU) zu dem vermeintlichen Erfolg.
Auf einer am Mittwoch auf der Internetplattform Linksunten Indymedia veröffentlichten Erklärung behaupten jedoch anonyme Verfasser, dass es sich bei dem Verdächtigen um den ebenfalls 26-jährigen Marcel G. handele. Dies sei durch Kleidungsstücke zu erkennen, mit denen der Festgenommene fotografiert worden war und die auch G. zuvor getragen habe. Verschiedene Medienberichte bestätigten ebenfalls ohne Nennung der Quellen, dass es sich bei dem Zündler um besagten G. handeln würde. Die Polizei gab gegenüber »nd« keine Auskunft zu den Personendaten des Festgenommenen.
G. gilt in der linksradikalen Szene Berlins als stark umstritten. Sowohl bei der Flüchtlingsorganisation »Moabit hilft« als auch bei der antifaschistischen Initiative »NoBärgida« habe er sich zeitweise engagiert, war jedoch nach Aussage von Moabit hilft niemals in Organisationsstrukturen eingebunden gewesen.
Später hat G. nach eigener Aussage die linke Szene verlassen. Ein Video zeigt ihn im Februar 2016 als Redner auf einer Demonstration des rassistischen »Bärgida«-Bündnisses in Berlin. Dort bezeichnete er sich selbst als »überzeugten Patrioten« und spricht abfällig über Linke. Die Vorwürfe ein Informant der Polizei und des Verfassungsschutzes zu sein, stritt G. in dem Video ab.
Auf Linksunten Indymedia waren zuvor im Dezember 2015 Dokumente veröffentlicht worden, die beweisen sollen, dass G. nach einer angeblichen Festnahme 2012 mit Polizeibehörden kooperiert und diesen Informationen über Strukturen der linksradikalen Szene Berlins – einschließlich der Rigaer Straße 94 – übergeben habe. Laut diesen Papieren habe G. den Behörden auch angeboten, als Informationsgeber zur Linken Szene Berlins gelegentlich zur Verfügung zu stehen.
Auf Indymedia wurde der Vorwurf erhoben, dass die Äußerungen von G. für die folgenden Polizeieinsätze in der Rigaer Straße 94 verantwortlich seien: »Die mittelbaren und unmittelbaren Folgen seiner Aussage waren DNA-Entnahmen, Hausdurchsuchungen (…) sowie eine Palette an Überwachungsmaßnahmen.« Gegenüber »nd« bestätigte ein Polizeisprecher, dass die Dokumente auf ihre Echtheit geprüft werden. Ob Verfassungsschutz oder Polizei auf das angebliche Kooperationsangebot von G. eingegangen sind, ist bisher nicht bekannt.
Hat die Berliner Polizei somit einen mittlerweile rechten Demonstrationsteilnehmer und eigenen Informationsgeber für die Brandstiftungen festgenommen? Dies muss noch geprüft werden.
Die Beamten teilten unterdessen mit, bei einer Demonstration von rund 250 Teilnehmern am Dienstagabend in der Rigaer Straße acht Personen festgenommen zu haben. Ihnen werden versuchte Körperverletzung, Beleidigungen oder Landfriedensbruch vorgeworfen. Laut Polizei hatte es Flaschenwürfe gegen Beamte gegeben, die jedoch niemanden trafen oder verletzten. In der Rigaer Straße sowie in der Liebigstraße wurden auch Müllcontainer angezündet. Am Dienstagnachmittag hatte es auf dem Friedrichshainer Dorfplatz zuvor ein Solidaritätskonzert mit mehreren Hundert Teilnehmern sowie eine Fahrraddemonstration mit 50 Personen vom Südstern bis zur Rigaer Straße gegeben. Die Polizei war mit 600 Beamten aus mehreren Bundesländern im Einsatz.
Die den anhaltenden Protesten zugrundeliegende Teilräumung der Rigaer 94 wird zudem nun offenbar doch im Berliner Landgericht verhandelt. Anwohner des alternativen Hausprojektes hatten zuvor gegen das Vorgehen des Eigentümers geklagt. Das Eilverfahren soll laut einer Mitteilung vom Mittwoch am 13. Juli 2016 um 10.00 Uhr wiederholt werden.
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