Es geht in Spiralen bergab
Marcus Meier über den Tarifkampf der Zeitungsredakteure
Tageszeitungsredakteur ist kein Traumjob mehr. Die Branche kriselt, die Tageszeitung gilt als Opas Medium und nicht mehr als Gelddruckmaschine, von der auch die Mitarbeiter ein gutes Stück weit profitieren. Die Bereitschaft, für journalistische Inhalte Geld zu bezahlen, sei es online oder Print, sinkt sukzessive. Weniger Einnahmen heißt: Es muss bei den Ausgaben gespart werden. Also: Arbeitsplatzabbau, Arbeitsverdichtung, Medienkonzentration. Plötzlich produziert die geschrumpfte Redaktion auch den Lokalteil des Ex-Konkurrenten mit. Oder gleich die ganze überregionale »Qualitätszeitung«, die der Verleger unlängst preisgünstig aufkaufte.
Und es muss immer schneller gehen. Texte werden vorab online veröffentlicht. Für Recherche bleibt kaum Zeit. Zudem sinkt die gesellschaftliche Wertschätzung für journalistische Arbeit. In Beliebtheitsumfragen liegen Journalisten stets auf den hinteren Plätzen, sie als Vertreter einer »Lügenpresse« zu beschimpfen und auch physisch zu attackieren, wird immer populärer.
Das heißt: Immer weniger Mitarbeiter müssen immer mehr »Content« unter immer schlechteren Bedingungen produzieren. Das befördert die Produktqualität nicht. Warum, so fragt sich mancher Noch-Leser, sollte er für eine gehetzt zusammengeschusterte Zeitung viel Geld ausgeben? Also sinken die Einnahmen, mit ihnen schrumpfen die Belegschaft, die Qualität – und die Zufriedenheit der Leser. Eine Abwärtsspirale.
Wenig überraschend: Auch bei der Bezahlung sind die goldenen Zeiten vorbei. Den Mediengewerkschaften ver.di und DJV ist es in dieser Tarifrunde gelungen, den Inflationsausgleich für Tageszeitungsredakteure zu erkämpfen. Wenn überhaupt. 1,5 Prozent mehr in diesem Jahr, ab August 2017 noch mal 1,6 Prozent: Die Verleger boten ursprünglich zwei Prozent für zwei Jahre, ver.di wollte fünf Prozent, herausgekommen ist letztlich ein schlechter Kompromiss; auch wenn ver.di-Verhandlungsführer Frank Werneke von einem »vertretbaren Abschluss« spricht und das ver.di-Branchenmagazin »Menschen machen Medien« von einem »größeren Stück vom Kuchen«.
Es ist nicht die erste faktische Nullrunde. »In den vergangenen Jahren ist die Tarifentwicklung dieser Berufsgruppe deutlich hinter dem neutralen gesamtwirtschaftlichen Verteilungsspielraum von Preis- und Produktivitätsentwicklung zurückgeblieben«, ist seitens der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung über Tageszeitungsredakteure zu lesen. Die Tarifsteigerungen hätten sogar erheblich unter der Preisentwicklung gelegen. Die Reallöhne sind demgemäß also gesunken in den letzten Jahren. Bleibt die Frage: Wenn der Beruf immer unattraktiver wird und zudem immer schlechter bezahlt, warum sollten junge Talente ihn ergreifen – und was bedeutet es für den demokratischen Diskurs, wenn niemand Qualifiziertes mehr Skandalen hinterherrecherchiert?
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