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Wenig Klarheit in Brüssel und Straßburg

Einstufung des Freihandelsabkommens mit Kanada als »gemischt« sorgt für Applaus und Kritik

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 4 Min.
CETA ist fertig verhandelt, der Vertragstext des Freihandelsabkommens soll im Herbst unterschrieben werden. In Brüssel sind die Meinungen gespalten.

Linke und Grüne jubeln, Konservative und Liberale maulen und die Sozialdemokraten drücken sich vor einer deutlichen Linie: Der Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) als »gemischt« einzustufen und damit den nationalen Parlamenten in den EU-Mitgliedstaaten ein Mitspracherecht bei der Ratifikation zu geben, ruft bei den europäischen Parlamentariern und EU-Institutionen unterschiedliche Reaktionen hervor.

Gar nichts zu hören war zunächst vom EU-Rat. Das ist nicht verwunderlich, denn die Regierungen tun sich in der Regel schwer, schnell auf aktuelle politische Entwicklungen zu reagieren. Das Gremium der EU-Mitgliedstaaten ist formal allerdings als erstes gefragt.

Wahrscheinlich im Herbst, so rechnet das Bundeswirtschaftsministerium auf seiner Homepage vor, könnte sich der Rat mit dem Vorschlag von Juncker befassen. Sollte dessen Idee - erwartungsgemäß - auf Gegenliebe stoßen, werden die Vertreter der Mitgliedstaaten im Herbst auch festlegen, welche Bereiche von CETA schon vor der Befragung der nationalen Parlamente gelten sollen. Das werden alle Bereiche sein, die nur EU-Kompetenzen betreffen.

Der Ratsbeschluss soll dann im Europaparlament zur Abstimmung kommen. »Wir werden CETA in einem transparenten Prozess auf Herz und Nieren prüfen«, kündigt Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, an. Ob er es gut findet, dass CETA ein gemischtes Abkommen werden soll, lässt er auf »nd«-Anfrage offen.

Anders dagegen Langes Parlamentskollege Daniel Caspary (CDU). Im Lissaboner Vertrag sei geregelt, dass Handelspolitik und damit das Abschließen von Handelsverträgen »glasklar Sache der EU« sei. Damit gebe es keinen Zweifel daran, dass allein die EU-Einrichtungen über CETA entscheiden könnten. »Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass es Spielregeln und entsprechende Zuständigkeiten der verschiedenen politischen Ebenen gibt«, sagt Caspary. Und fügt hinzu: »Dass die Kommission CETA als gemischtes Abkommen vorgeschlagen hat - entgegen ihrer eigenen Rechtsauffassung -, untergräbt aus meiner Sicht die Demokratie in Europa und die Glaubwürdigkeit der EU in Handelsgesprächen.«

Ganz ähnlich sieht das der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer. »In einem Binnenmarkt wie der EU kann ein Freihandelsabkommen nur auf EU-Ebene und nicht durch die Mitgliedstaaten verhandelt werden«, teilt er mit. Diesem verfassungsmäßigen Gefüge habe der Bundestag in Form des Lissabonner Vertrags auch zugestimmt. Diese Regeln gelte es jetzt einzuhalten.

Kritisch äußert sich ebenfalls der EU-Kritiker und ALFA-Europaabgeordnete Joachim Starbatty. »Das Vorgehen von Kommissionschef Juncker ist schwer nachzuvollziehen«, sagt er. Die Frage, ob CETA ein gemischtes Abkommen sei, müsse sich an der sachlichen Einschätzung des Inhalts orientieren. Laut des juristischen Gutachtens, das die Kommission eingeholt habe, lägen die Inhalte von CETA innerhalb der Zuständigkeit der EU. Demnach müsse auch die EU über das Abkommen abstimmen. Starbatty hatte, als er noch Mitglied der Partei war, innerhalb der AfD für Streit gesorgt, weil er sich für das Abkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) ausgesprochen hatte.

Einfluss haben die Meinungen von Caspary, Theurer und Starbatty deshalb, weil sie Vertreter von drei der vier größten Fraktionen im Europaparlament sind. Die EVP von Caspary ist die größte, Starbattys konservative EKR-Fraktion die dritt- und Theurers ALDE-Fraktion die viertgrößte. Sollten diese Fraktionen geschlossen gegen den Willen von Kommission und Rat stimmen, CETA als gemischtes Abkommen zu bewerten, könnte es gar zu einer Ablehnung von Junckers Vorschlag kommen. Zusammen haben die Fraktionen 359 Stimmen, das EU-Parlament zählt 751 Abgeordnete. Es würde reichen, wenn sich die 46 Mitglieder der national-konservativen EFDD-Fraktion einer Ablehnung anschließen würden. Was dann geschähe, daran will in Brüssel zurzeit wohl keiner denken.

Für Grüne und Linke scheint dieses Szenario kaum denkbar. Sie gehen davon aus, dass CETA auf jeden Fall durch die nationalen Parlamente gehen wird. Was die EU-Grüne Ska Keller als »Erfolg für die Zivilgesellschaft« und LINKEN-Fraktionschefin Gabi Zimmer als einen »Erfolg für die Demokratie in der EU« werten. Keller fordert: »Erst wenn alle nationalen Parlamente über CETA abgestimmt haben, darf das Abkommen in Kraft treten.«

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