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»Die Diskussion ist respektlos«

Ungarns Assistenztrainer Andreas Möller verteidigt den EM-Modus und den neuen Europameister

  • Lesedauer: 4 Min.

Viele Fußballfans haben noch die Bilder vom Empfang der portugiesischen Nationalmannschaft in der Heimat vor Augen. Was haben Sie mit dem ungarischen Überraschungsteam vor zweieinhalb Wochen bei ihrer Rückkehr erlebt?
Es war unbeschreiblich. 20 000 Menschen haben in Budapest auf uns gewartet - dort gibt es auch einen Platz der Legenden. Die Euphorie war riesengroß, die Stimmung fantastisch. Für den ungarischen Fußball war diese EM eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Damit meine ich auch die Art und Weise, wie wir uns präsentiert haben. Und wegen unserer vielen Fans, die nach Frankreich gereist sind, würde ich sagen: Das war zumindest ein ungarisches Sommermärchen.

Im Nachhinein erfährt das 3:3 im letzten Gruppenspiel gegen Portugal eine neue Bedeutung.
Nicht auszudenken, wenn Akos Elek beim Stand von 3:3 einen Ball, der an den Innenpfosten sprang, ins Tor geschossen hätte. Dann wäre Portugal ausgeschieden. So eng hängen Erfolg und Misserfolg zusammen. Für mich war das eines der besten Spiele der EM. Ein ständiges Hin und Her ohne große taktische Zwänge.

Portugal hat sich dann aber in der K.o.-Phase mit einem streng auf Disziplin angelegten System durchgesetzt. Welches Signal geht davon für den Fußball aus?
Generell tut es dem Fußball gut, wenn er unberechenbar bleibt - und am Ende solch eine Überraschung herauskommt. Ein Turnier hat nun mal diese Regularien, dass man ab dem Achtelfinale nicht zwingend nach 90 Minuten ein Spiel gewinnen muss. Über die Art und Weise kann man sicher diskutieren, aber die EM war ein Marathon - keiner hat Portugal bezwingen können. Und auch die anderen Welt- und Europameister der Vergangenheit hatten schwächere Spiele dabei. Keine Mannschaft geht durchs Turnier und fegt jeden Konkurrenten mit drei oder mehr Toren vom Platz. Auch bei der EM 1996, als ich mit Deutschland Europameister wurde, haben wir einen ganz mühsamen Weg beschreiten müssen.

Die EM 2016 hat auch wegen der Aufstockung auf 24 Mannschaften keine guten Kritiken bekommen.
Mich ärgert die Diskussion über langweilige, zähe Spiele. Das finde ich respektlos! Ich wehre mich gegen ein Turnier nur mit den Großen. Europa ist gewachsen und die EM eben auch. Ich habe alles hautnah miterlebt, und muss den kleinen Nationen ein großes Kompliment machen. Ob das nun Albanien, Nordirland, Wales, Island, Irland oder Ungarn waren: Die haben sich toll verkauft und teils tolle Spiele hingelegt.

Trotzdem wirkte die Gruppenphase arg langatmig.
Natürlich können wir über den Modus mit den besten Gruppendritten diskutieren. Aber ich fand die Aufstockung sehr gut, damit sich der Fußball in kleineren Nationen durch solch ein Ereignis entwickelt. Man glaubt gar nicht, was in den besagten Ländern für ein Boom ausgelöst worden ist. Natürlich war nicht jedes EM-Spiel ein Spektakel, aber die großen Nationen mit ihren Superstars hätten ja die Möglichkeit gehabt, mehr zu zeigen.

Hat Joachim Löw richtig entschieden, als Bundestrainer weiterzumachen?
Für mich ist das die logische Konsequenz. Er ist der richtige Mann für diese Mannschaft, die noch sehr viel Qualität besitzt. Es gibt gar keinen Grund für ihn aufzuhören. Natürlich wird über einzelne Positionen noch diskutiert, und Stürmertypen wie Miroslav Klose wachsen nicht auf den Bäumen. Sicherlich kann man Angreifer mit Killerinstinkt fördern, ihnen vermitteln, dass sie den Strafraum, wenn sie ihn betreten haben, nicht mehr verlassen. Vielleicht hätten ein gesunder Marco Reus und ein Thomas Müller in besserer Form der deutschen Elf schon gereicht, um mehr zu erreichen.

Wie verlief die Zusammenarbeit mit Ungarns Nationaltrainer, ihrem Vorgesetzten Bernd Storck.
Wir kommunizieren sehr viel und philosophieren auch ein bisschen, wie wir uns noch verbessern können. Taktik und Training, andere Inhalte. Wir feilen da an allem. Wir verstehen uns menschlich sehr gut.

Es wirkt, als hätten Sie persönlich eine neue Bestimmung gefunden?
Mir macht der Job bei der ungarischen Nationalmannschaft sehr viel Spaß. Das Trainergeschäft habe ich schon angestrebt, als ich meine Ausbildung zum Fußballlehrer 2005 absolviert hatte. Nach meinem ersten Engagement in der Oberliga bei Viktoria Aschaffenburg habe ich diesen Pfad als Manager bei Kickers Offenbach zwar verlassen. Aber auch das war für mich sehr interessant.

Können Sie sich in absehbarer Zeit einen Job in der Bundesliga vorstellen?
Ich habe keinen Karriereplan in diese Richtung, zumal ich mich in Ungarn als Co-Trainer gut verwirklichen kann. Ich habe die vergangenen Monate auch fast ausschließlich dort verbracht. Nach der EM kann ich jetzt wieder vieles von Frankfurt aus steuern, ich übernehme einiges von der Gegner- oder Spielerbeobachtung. Jetzt ist unser Ziel, in der WM-Qualifikation an die EM anzuknüpfen, so dass sich Ungarn auf der internationalen Bühne endgültig zurückmeldet. Wir haben mit der Schweiz und vor allem Portugal eine schwere Gruppe erwischt. Klar, dass das kein Selbstläufer wird. Und auch auf den Färöern müssen wir erst mal gewinnen.

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