Netzneutralität: Gefahr für die Zukunft des Internets
Internetnutzer dürfen bis Montag mitentscheiden, wie es künftig um die Neutralität im Netz bestellt sein wird
Noch bis zum kommenden Montag (18.07.) dürfen EU-BürgerInnen über die Zukunft des freien Internets mit entscheiden. Dann endet die öffentliche Konsultationsphase des Gremiums der europäischen Regulierungsbehörde (Berec), die im vergangenen Monat ihren Entwurf der Leitlinien für die Umsetzung der Netzneutralität auf nationaler Ebene vorgestellt hat. Konkret geht es in der Vorlage darum, wie künftig die Netzneutralität in Europa gewährleistet werden soll. Bis Ende August muss das Gremium verbindliche Umsetzungsrichtlinien ausarbeiten, die die Strenge der Netzneutralität in Europa definieren. Bislang haben sich mehr als 160.000 Menschen an der Konsultation beteiligt.
Im Oktober vergangenen Jahres hatte das Europaparlament bereits eine andere Verordnung mit schwammigeren Regularien verabschiedet. Von Experten hagelte es daraufhin Kritik. Anstelle die Gleichberechtigung aller Datenpakete im Internet zu sichern, bot der Entwurf zahlreiche Schlupflöcher, die es Providern ermöglichen, Profit aus der Bevorzugung einzelner Angebote zu schlagen. Nach Meinung der Kritiker entstünde daraus ein »Zwei-Klassen-Internet«, in dem bestimmte Dienste besser behandelt werden als andere.
Hauptkritikpunkte in der Verordnung sind das »Verkehrsmanagement« - hierbei sollen Provider zugunsten der Effizienzoptimierung selbst regeln, welche Datenpakete zu welcher Übertragung gehören und welche Priorität sie dieser einräumen -, die sogenannten »Spezialdienste« - Telekommunikationsunternehmen könnten diese Option nutzen, um eine bezahlte Überholspur für finanzstarke Unternehmen einzurichten -, sowie das »Zero Rating« - Provider können sich hierbei aussuchen, welchen Datenpaketen sie Vorrang in der Übertragung geben und welche sie auf das monatliche Datenvolumen der Kunden anrechnen. Das könnte dazu führen, dass beispielsweise Streamingdienste per Vertrag mit dem Provider bevorzugt behandelt werden und dadurch Wettbewerbsvorteile erhalten.
Kritiker sehen in den neuen Regularien eine eindeutige Bevorzugung großer Unternehmen und die Freiheit des Internets in Gefahr. Durch die neuen Beschränkungen könnten etwa unabhängige Webseiten, sowie Blogs und Startups ausgebremst werden und die Vielseitigkeit des Internets abgeschafft werden. In letzter Konsequenz sei dadurch auch die Meinungsfreiheit im Netz in Gefahr.
In der Theorie muss das Berec als Agentur der Europäischen Union die Meinung der EU-BürgerInnen in Entscheidungsprozesse mit einbeziehen. Nach dem Ende der öffentlichen Befragung hat die Agentur etwas mehr als einen Monat Zeit, um die eingegangenen Kommentare auszuwerten und in seine Entwurf einfließen zu lassen. Die endgültige Version soll am 30. August fertiggestellt und veröffentlicht werden.
Bislang waren die Reaktionen bei anderen Konsultationen des Berec relativ gering. Allerdings führte die enorme Aufmerksamkeit und massive Beteiligung der Öffentlichkeit in Indien, Brasilien und den USA zu einer starken Einflussnahme, was die Ausgestaltung der Netzneutralitätsregeln in diesen Ländern erheblich verschärft hatte. fbr
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.