Pullover aus Milch
Ungebremstes Wachstum behindert Bioökonomie
Zahlreiche Großinvestoren haben in den vergangenen Monaten angekündigt, ihre Aktien von Öl- und Kohlekonzernen abzustoßen. Sogar die durch Öl reich gewordene Rockefeller-Stiftung in den USA setzt nun auf Öko. Die Autorin und »Zeit«-Redakteurin Christiane Grefe wundert das nicht. In ihrem neuen Buch schildert sie, wie die neue »Bioökonomie« die alte »fossile« Industrie zunehmend ablöst. Das Konzept ist einfach: Ingenieure, Forscher und Unternehmer wollen Öl und andere heikle oder umweltschädliche Materialien in Produkten durch pflanzliche und tierische Rohstoffe ersetzen. Mit Hightechmethoden schicken sie sich an, aus Abfällen, Algen, Bakterien und Pilzen Energie, Sprit, Baustoffe, Textilien und Alltagsprodukte zu machen. Zum Beispiel Pullover aus Milch, Eiscreme aus Lupinen oder Waschmittel aus Bakterien. Grüne Bauern sollen künftig Schädlinge mit Pilzen statt mit dem umstrittenen Pestizid Glyphosat bekämpfen.
Diese Umstellung soll den Klimakollaps verhindern, Ressourcenengpässe abwenden, die Wirtschaft ankurbeln und alle Menschen gesund ernähren. Immerhin hat die EU bisher riesige Summen in die Forschung investiert. Doch das Buch zeigt auch: Das meiste spielt sich im Kopf von Forschern und im Labor ab. Es gibt erst wenige Produkte, die man kaufen kann. Und es bleibt offen, ob sich tatsächlich Strom aus Stroh oder Kerosin aus Algen gewinnen lässt.
Die andere Frage ist, ob es das wirklich braucht. Was ist gewonnen, wenn Rennautos mit Rapsöl fahren? Die Ökobilanz von »Biosprit« ist schlechter als die Ökobilanz fossiler Brennstoffe. Und verzögern neue Biotech-Produkte nicht grundlegende Reformen, etwa die Abkehr vom Wachstumsgedanken? Grefes Haltung zum Gegenstand ihres Buches ist ambivalent. Aus ihren Interviews und Beschreibungen spricht eine Faszination für die Verheißungen der Bioökonomie. Sie hätte dem Thema sonst wohl auch kein Buch gewidmet. Doch sie glaubt auch nicht, dass die Bioökonomie allein eine nachhaltige Kreislauf-Wirtschaft begründen kann. Sie hakt in ihren Interviews mit den Wortführern der Bioökonomie daher oft wohltuend kritisch nach und lässt in den Streitgesprächen in ihrem Buch Skeptiker zu Wort kommen. Und am Ende stellt sie klipp und klar fest: Auch die Bioökonomie stößt bald an wirtschaftliche und biologische Grenzen. Denn die Ressourcen sind begrenzt. Für Grefe werden die »Überversorgten« in den Industrienationen daher nicht darum herum kommen, ihren »Verbrauch so herunterzufahren, dass die anderen mehr abbekommen.«
Christiane Grefe: Global Gardening. Bioökonomie - Neuer Raubbau oder Wirtschaftsform der Zukunft. Verlag Antje Kunstmann 2016; 22,95 €.
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