EU-Kommission bestraft Spanien und Portugal vorerst nicht
Brüssel verzichtet auf die Verhängung von Bußgeldern wegen hohen Haushaltsdefizits / Ungleichbehandlung der Länder schürt Unmut
Auf der Iberischen Halbinsel ist die Erleichterung groß, dass die EU-Kommission es im Rahmen des Defizitverfahrens bei einer »symbolischen Strafe« belassen will. Bis zu 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hätten es werden können, das wären im Fall von Spanien gut 2,1 Milliarden und im Fall Portugals etwa 360 Millionen Euro. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici hatte im Vorfeld mehrfach angekündigt, die Strafe auf Null zu setzen.
Im Fall Spaniens schloss sich auf dem Treffen der G20-Finanzminister am vergangenen Wochenende in Chengdu dem Vorschlag auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an. Das Land müsse dafür aber »vor Jahresende neue Maßnahmen beschließen«, zitierte »El Mundo« Schäubles »private« Äußerungen.
Die Haltung Deutschlands als treibende Kraft hinter Sanktionen ist für die konservative Zeitung von »entscheidender Bedeutung«. Darüber werde auch Druck auf eine schnelle Regierungsbildung in Madrid zugunsten der konservativen Volkspartei (PP) und des bisherigen Regierungschefs Mariano Rajoy ausgeübt. Der hatte die Neuwahlen im Juni gewonnen, doch wie schon nach den Wahlen im Dezember 2015 fehlen der PP für die nötige Mehrheit Unterstützer, denn die Konservativen sind in zahlreiche Korruptionsskandale verstrickt.
Spanien wird nun erneut bevorzugt behandelt. Hatte Brüssel dem Land schon bis 2016 ein Jahr mehr Zeit als Portugal eingeräumt, um das Haushaltsdefizit auf das Stabilitätskriterium von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken, soll es nun weitere zwei Jahre dafür erhalten. Portugal fühlt sich derweil ungerecht behandelt, denn Schäuble geht mit dem kleinen Land und seiner sozialistischen Regierung stets hart ins Gericht, da sie den Austeritätskurs aufgekündigt hat, Löhne und Renten anhebt oder Steuern senkt. Gegenüber der Zeitung »Publico« sprach Regierungschef António Costa von einer »wenig freundlichen Behandlung« durch Schäuble. Der hatte kürzlich sogar behauptet, Lissabon müsse bald ein neues Rettungsprogramm beantragen.
Regierungschef Costa hatte mit Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für den Fall einer Geldstrafe schon Klage vor dem Europäischen Gerichtshof angekündigt. Dies auch für den Fall einer Aussetzung von Zahlungen aus EU-Fördertöpfen.
Die Linksregierung hätte es nicht verstanden, warum über Strafen der erfolgreiche Erholungskurs behindert werden soll. Anders als Spanien hatte Portugal schon 2015 sein Defizit fast auf die Stabilitätsgrenze gesenkt – letztlich führte eine von der EU-Kommission genehmigte Bankenrettung dann doch zu einem neuerlichen Verstoß. Doch das Land will in diesem Jahr das Defizit auf drei Prozent des BIP senken, wofür finanzielle Reserven angelegt wurden.
Spanien nimmt dagegen niemand ab, das Defizit selbst im kommenden Jahr wieder auf drei Prozent zu senken. 2015 betrug die Neuverschuldung selbst ohne Bankenrettung 5,1 Prozent vom BIP. Laut dem unabhängigen Gremium der Haushaltsaufseher werden es 2016 wohl 4,1 bis 4,7 Prozent sein. Für Kritiker ist klar: Weil Rajoy im Unterschied zur portugiesischen Regierung die Austerität nicht in Frage stellt, bekommt Spanien erneut mehr Zeit. Und das, obwohl es das Land mit Sparpolitik trotz wieder stabilen Wachstums nicht schafft, seine Versprechen beim Defizitabbau einzuhalten.
Letztlich brachte es der frühere portugiesische Regierungschef Pedro Passos Coelho auf den Punkt: Portugal werde für »aktuelle Vorgänge« und nicht für die Vergangenheit bestraft. »Wichtige Reformen«, die der Konservative einst eingeleitet hatte, würden zurückgedreht, was unverantwortlich sei. Was Coelho verschwieg: Er hinterließ der Linksregierung das Bankenproblem als faules Ei. Die Konservativen hatten es – unter Troika-Aufsicht – vier Jahre lang hinausgeschoben.
- Geldstrafen für Spanien und Portugal wegen hohem Haushaltsdefizit soll es nach dem Willen der EU-Kommission nicht geben. Aber machen solche Verfahren überhaupt Sinn? Und was zählt der Stabilitäts- und Wachstumspakt noch?
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