Russische Sportler wollen ihren Olympiastart einklagen

Noch acht sehr bewegte Tage haben das IOC und dessen Präsident Thomas Bach bis zur Eröffnung der Sommerspiele in Rio vor sich

  • Frank Thomas
  • Lesedauer: 4 Min.
IOC-Präsident Thomas Bach steht weiter in der Kritik. Es wird bereits sein Rücktritt gefordert. Außerdem muss sich das IOC auf eine Klagewelle russischer Athleten einstellen.

Die heftige Kritik an Thomas Bach reißt nicht ab, doch vom russischen Präsidenten Putin erhält der IOC-Präsident Lob. Athleten wie Eisschnelllaufolympiasiegerin Claudia Pechstein und auch Nationale Anti-Doping-Agenturen stärkten Robert Harting in seinem vernichtenden Urteil über das Internationale Olympische Komitee den Rücken. Unterdessen droht dem Internationalen Olympischen Komitee eine Klagewelle russischer Athleten: Zahlreiche ausgeschlossene Sportler kündigten rechtliche Schritte an.

»Bach hat sich in meinen Augen politisch kaufen lassen. Er lügt die Welt an, wenn er öffentlich predigt, es gelte für jeden Sportler die Unschuldsvermutung«, sagte die Berlinerin Pechstein am Mittwoch. Ihr Dopingfall sei der beste Beweis für die Unrichtigkeit von Bachs Äußerungen: »In meinem Fall hat nie die Unschuldsvermutung gegolten. Ich wurde zu Unrecht ohne jeden Beweis, nur aufgrund einer absurden Wahrscheinlichkeitsrechnung verurteilt.« Pechstein kritisierte, Bach und das IOC hätten vor dem Ausschluss der russischen Leichtathleten von Olympia erst die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofes CAS abgewartet und sich in Sachen des Rio-Banns von Athleten anderer Sportarten hinter den Fachverbänden versteckt. »Das ist eine feige Entscheidung, Bach drückt sich vor der Verantwortung und wird seiner Führungsrolle als IOC-Chef einmal mehr nicht gerecht. Das Ganze ist ein unwürdiges Trauerspiel.«

Auch Diskusolympiasieger Harting war nach seiner Kritik zu dem gleichen Schluss über den deutschen Spitzenfunktionär gekommen: »Er ist für mich als IOC-Präsident nicht weiter tragbar. Er nimmt meine Werte als Athlet nicht wahr«, unterstrich der Berliner. Er sei für ihn ein »Teil des Dopingsystems, nicht des Antidopingsystems. Ich schäme mich für ihn«, so Harting. Bach hatte das als »nicht akzeptable Entgleisung« und Beleidigung zurückgewiesen.

»Absolutes Entsetzen« herrsche über die IOC-Entscheidung unter den Antidoping-Agenturen vieler Länder, sagte die NADA-Vorsitzende Andrea Gotzmann. Da sei »eine große Chance verpasst worden«. Es sei ein Rückschlag für saubere Athleten. Diese würden sich fragen, »was muss passieren, bevor harte Konsequenzen gezogen werden? Russland ist ja nicht das einzige Land, in dem es nicht so läuft, wie wir uns das wünschen.«

Lob für das IOC kam von Kremlchef Wladimir Putin. »Das IOC hat sich ungeachtet eines riesigen öffentlichen Drucks nicht an der Spaltung der olympischen Bewegung beteiligt«, meinte er bei der Verabschiedung des russischen Olympiateams und bezeichnete die Dopingvorwürfe gegen russische Sportler und Funktionäre als »Kampagne«. Die Abwesenheit zahlreicher russischer Athleten sei für Olympia in Rio ein Verlust.

Im Gegensatz zu Harting oder Pechstein begrüßte auch der Präsident des Deutschen Judo-Bundes die Entscheidung des IOC gegen einen russischen Olympia-Bann. »Die Zeit der Sippenhaft haben wir 1945 in Deutschland abgeschafft«, sagte Peter Frese. Dass das IOC unter Bach nun so heftig angegangen werde, heißt Frese nicht gut. »Herr Bach tut mir leid. Egal, wie du da entscheidest, du kriegst danach aufs Maul«, sagte er.

Unterdessen haben weitere Fachverbände Konsequenzen aus dem WADA-Report über Staatsdoping in Russland gezogen. Mindestens 105 von geplant 387 russischen Sportlern wurden bislang von Olympia ausgeschlossen. Während der vom russischen Präsidenten Alischer Usmanow geführte Fechtweltverband am Mittwoch allen 16 qualifizierten russischen Athleten das Startrecht gewährte, wächst unter den Gewichthebern der Unmut über die intransparente Informationspolitik des IOC. »Es sieht so aus, als wenn die Sperren von Russland, Weißrussland und Kasachstan erst im Herbst ausgesprochen werden können«, befürchtet Christian Baumgartner, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber. »Das ist übel für unsere Athleten.« Grund ist, dass das IOC bisher keine Namen gedopter Sportler genannt hat und die Disziplinarverfahren zu den Nachkontrollen von 2008 und 2012 vor Beginn der Spiele in Rio voraussichtlich nicht abgeschlossen werden.

Gegen ihren Ausschluss bringen sich inzwischen zahlreiche russische Athleten in Position. Sie kündigten an, das IOC zu verklagen. Der Anwalt der Schwimmerin Julija Jefimowa teilte mit: »Wir reichen wohl am 29. Juli Klage beim CAS ein.« Ähnliches plane der russische Ruderverband nach dem direkten Ausschluss dreier Sportler, teilte Verbandschef Wenjamin But mit. 19 weiteren Ruderern war der Rio-Start ebenfalls verweigert worden. Dreispringerin Jekaterina Konewa sagte, sie wolle mit einer Klage gegen das Startverbot notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.

Hart bleibt der Leichtathletik-Weltverband IAAF. Er verweigerte Russland grundsätzlich eine Sondererlaubnis zum Olympiastart gesperrter Sportler. Einen entsprechenden Antrag habe IAAF-Chef Sebastian Coe in einem Brief abgelehnt, sagte Sportminister Witali Mutko in Moskau. Es sei bedauerlich, dass damit saubere Sportler nicht in Rio starten dürften, meinte Mutko. dpa/nd

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