Totenzahlen, tote Zahlen
Ingolf Bossenz über Terror in alten Zeiten und fromme politische Wünsche
In den alten Zeiten, als das Wünschen leider auch nicht geholfen hat, war der Terror viel schlimmer als heute. Zumindest legen das Zahlen der Global Terrorism Database der Universität Maryland (USA) nahe: Seit 1970 starben in Westeuropa 6400 Zivilisten durch Anschläge. Von diesen Toten sind indes nur rund 1000 der Zeit seit 1993 zuzuordnen.
In der Tat: Die in den 70er und 80er Jahren schaurige Spuren hinterlassenden Gewaltakteure wie in Nordirland (IRA) und Spanien (ETA) oder die aus dem Nahostkonflikt gespeisten Bluttaten sorgten für weit höhere Opferzahlen. Nur: Terror ist nicht in erster Linie ein quantitatives, er ist vor allem ein qualitatives Problem. Bei aller Brutalität und Menschenverachtung eignete den Tätern der »alten Zeiten« eine bestimmte Berechenbarkeit, die bewirkte, dass sich Menschen in Würzburg oder Ansbach kaum von Separatisten aus Ulster oder dem Baskenland bedroht fühlten. Erst dem islamistischen Terror ist es gelungen, die Angst in einer Weise in weltweiten Umlauf zu bringen, die nicht nur perfekt dem »Globalen Dorf« (Global Village) Rechnung trägt, sondern auch faktisch jedes Dorf globalisiert. Und Angst ist in erster Linie ein Gefühl. Verweise auf Verkehrstote, beim Essen Erstickte oder historische Reminiszenzen zeugen von frommen politischen Wünschen. Sie helfen auch heute nicht.
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