Unternehmen schießen gegen Rentenpläne der Gewerkschaften

Ver.di-Chef Bsirske: Bis zu zwölf Millionen Menschen droht Rente auf Hartz-IV-Niveau / Unternehmen: Forderungen nach höheren Renten können »brandgefährliche Dynamik« entfachen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Forderungen zum künftigen Rentenniveau könnten gegensätzlicher nicht sein, die Spitzenvertreter von Gewerkschaften und Unternehmerverbänden entfachen die Rentendebatte neu. Ver.di-Chef Frank Bsirske pocht eindringlich auf ein höheres Absicherungsniveau der Rente. Der einflussreiche Unternehmensverband Gesamtmetall setzt lautstark dagegen – und warnt vor einer teuren Rentenreform.

»Es kann nicht sein, dass man nach jahrzehntelanger Arbeit mit der Rente nicht anständig über die Runden kommt«, sagte Bsirske der dpa. »Der zentrale Stellhebel ist das gesetzliche Rentenniveau. Es muss stabilisiert und dann angehoben werden.« Damit ist derTon für den rentenpolitischen Herbst gesetzt, in dem nach der Sommerpause Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ein neues Rentenkonzept vorlegen will. Zuvor will sie im Oktober Spitzenvertreter von Unternehmen, Beschäftigten und Sozialverbänden zu einem Dialog zur gesetzlichen Rente eingeladen. Derzeit geht es in der Regierung auch hin und her wegen eines Entwurfs von Nahles zur Ost-West-Angleichung bei der Rente. Ungeklärt ist unter anderem, wer die Kosten dafür tragen soll.

Natürlich werde auch das Beitragsniveau angehoben werden müssen, sagt Bsirske. Nach der Sommerpause wollen die Gewerkschaften mit Kampagnen Druck vor allem Druck für ein höheres Rentenniveau machen. Der DGB will vor dem Bundestagswahlkampf für einen Kurswechsel mobilisieren. Die IG Metall hat bereits im Juli ein entsprechendes Konzept vorgelegt. »Die Arbeitgeberverbände und die Versicherungswirtschaft werden dabei aus allen Rohren dagegen schießen«, sagte Bsirske. »Sie profitieren von der aktuellen Lage am meisten.«

Die Reaktion der Unternehmerverände ließ dementsprechend nicht lange auf sich warten. Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander sagte ebenfalls gegenüber der dpa: »Forderungen der Gewerkschaften nach einem höheren Rentenniveau können eine brandgefährliche Dynamik erzeugen.«

Das Rentenniveau bis 2030 bei über 47 Prozent stabil zu halten oder es sogar auf 50 oder 53 Prozent anzuheben, »würde etliche Milliarden kosten«, sagte Zander. »Die Volksparteien werden den Vertrauensverlust nicht durch Rentengeschenke zur Bundestagswahl 2017 ausgleichen können, wenn damit zugleich Staatsfinanzen und Sozialkassen endgültig ruiniert werden.«

Ver.di-Chef Bsirske malt hingegen ebenfalls ein finanzielles Fiasko an die Wand – für die künftigen Rentnerinnen und Rentner: Millionen Beschäftigte liefen auf eine Rente zu, die höchstens einem Hartz-IV-Anspruch und damit Altersarmut entspreche. »Das ist ein gefährlicher Sprengsatz«, so der Veri-Chef. Dieser ticke laut Bsirske für elf bis zwölf Millionen Menschen: Eine »soziale Zeitbombe«, sagte der ver.di-Vorsitzende. Die von der Koalition geplante solidarische Lebensleistungsrente – eine Aufwertung von Kleinrenten – reiche bei Weitem nicht.

Zurzeit liegt das Rentenniveau – das Verhältnis der Rente nach 45 Jahren Arbeit zum Durchschnittseinkommen – bei 47,7 Prozent. Bis 2030 soll es laut Prognosen auf etwas über 44 Prozent absinken. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.