Nie wieder kostenloser Park

Marzahn-Hellersdorfer fürchten, dass der Kienberg nach IGA-Ende abgezäunt bleibt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
«Die haben uns den Park genommen», sagen Anwohner über das Gelände in Marzahn-Hellersdorf. Sie mutmaßen, dass das so bleibt.

«Das war sicher der Sturm», sagt Cornelia Kahl von der Bürgerinitiative Kienberg-Wuhletal, als sie den auf dem Boden liegenden Metalldrahtzaun erblickt. Mehrere Meter der grün lackierten Barriere entlang des Wuhleufers sind fein säuberlich umgelegt. «Der Sturm der Empörung», schiebt sie hinterher.

Das Wuhletal unterhalb des Kienbergs hat sich in ein Gewirr verschiedener Zäune verwandelt. Seit Ende 2014 ist das Gelände zwischen dem U-Bahnhof Neue Grottkauer Straße in Hellersdorf und den Gärten der Welt in Marzahn abgesperrt. Hier entsteht das Gelände der Internationalen Gartenausstellung (IGA), die nächstes Jahr Millionen Besucher in den Nordosten Berlins locken soll.

Die Stützen der Seilbahn, die die Besucher von der U-Bahn über den Kienberg zum IGA-Haupteingang bringen sollen, stehen schon, auch die Seile sind bereits gezogen. Ebenfalls weit fortgeschritten ist der Bau der Stationsgebäude. Auch die U-Bahn- station selbst ist eine einzige Baustelle. Sie soll ebenfalls aufgehübscht werden, um Besucher nicht mit dem rauen Charme vergangener Zeiten zu verstören.

«Die haben uns das Schönste genommen, was wir hatten in dem scheiß Plattenbaubezirk», beklagt sich ein junger Mann in Kapuzenjacke drastisch über die ganzen Absperrungen. «Früher haben Jugendliche auf dem Kienberg gegrillt und Partys gemacht», erklärt Kahl. Zwar lag danach öfter Müll herum, was der Aktivistin auch nicht gefallen hatte. «Aber dort hatten sie nie gestört.» Nun feierten sie im Wohngebiet.

Nicht nur der Kienberg, auch der Jelena-Šantić-Friedenspark, benannt nach einer serbischen Friedensaktivistin, ist seit Ende 2014 eingezäunt. «Wir haben hier Nachbarschaftsfeste gefeiert, hier traf man sich einfach gerne auch nach Feierabend», berichtet Sabine Büttner, die sich ebenfalls in der Bürgerinitiative engagiert. Dann entdeckt sie zwei Rehe, die entlang des Zaunes laufen. «Die sind hier eingesperrt, es gibt keine Durchlässe für sie. Im Januar reichte es einigen Anwohnern. Sie stürmten den Hügel, um mit ihren Kindern rodeln zu können. Im Mai gab es eine Demonstration gegen die Absperrungen.

»Spätestens nach der IGA müssen die Zäune wieder verschwinden«, fordert Cornelia Kahl. Zwar wird immer wieder vom Bezirk und der landeseigenen Grün Berlin GmbH versichert, dass die Bereiche spätestens im April 2018 wieder öffentlich zugänglich sein werden, »aber die ›Gärten der Welt‹ gelten auch als öffentlich zugänglich, allerdings gegen Eintritt«.

Eine »vertragliche Vereinbarung« mit dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf aus dem Jahr 2014 sichert zwar einen unentgeltlichen Zugang nach Ende der Gartenschau zu, bei der Bürgerinitiative zweifelt man jedoch an der Verbindlichkeit. Der Bereich der Kienbergspitze sei »vor Vandalismus zu schützen und zu sichern«, heißt es weiter in dem Schriftstück. »Wir haben Angst, dass das Gelände ungefähr so öffentlich wie ein Einkaufszentrum wird«, sagt Kahl. Also mit nächtlichen Schließzeiten und einer Parkordnung, die zum Beispiel politische Aktionen verbietet. Anträge auf Akteneinsicht hat die IGA Berlin 2017 GmbH als Tochter der Grün Berlin GmbH mit Hinweis auf die privatrechtliche Organisation der Gesellschaft verweigert.

»Die schleichende Privatisierung von Grünflächen ist ein generelles Problem«, findet LINKEN-Politikerin Katalin Gennburg. »Da gibt es rigide Regeln, wie zum Beispiel auf dem Tempelhofer Feld, wo das Unterschriften sammeln verboten wurde.« Problematisch sei es auch, dass die Grün Berlin Exklusivverträge zum Beispiel mit dem Nahrungsmittelmulti Nestlé schließe. »Alle Kioskbetreiber dürfen deswegen nur Schöller-Eis verkaufen«, sagt Gennburg. Es fehle bei solchen Konstruktionen echte demokratische Kontrolle.

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