Bank of England dreht am Hahn
Britische Notenbanker senken den Leitzins und kaufen wieder Anleihen
Noch einmal wollten die Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der Bank of England (BoE) die Erwartungen der Märkte nicht enttäuschen. Am Donnerstag gaben die britischen Notenbanker rund sechs Wochen nach dem Brexit-Votum eine Reihe von Maßnahmen bekannt, die die Wirtschaft des Inselstaates stabilisieren sollen. So senkten sie den Leitzins von 0,5 auf 0,25 Prozent und legten ein Anleihenkaufprogramm in Höhe von 70 Milliarden Pfund (rund 83 Milliarden Euro) auf.
Bereits im Vorfeld der letzten Sitzung des geldpolitischen Ausschusses im Juli war ein Handeln der Bank erwartet worden. Schließlich geriet das britische Pfund gleich nach dem Votum zugunsten eines Austritts des Landes aus der Europäischen Union massiv unter Druck. Im Vergleich zum Dollar rutschte die Währung Anfang Juli auf den niedrigsten Stand seit dem Jahr 1985. Wiederholt betonten Repräsentanten der BoE, die britische Wirtschaft notfalls mit allen nötigen Mitteln stützen zu wollen. So erklärte BoE-Chef Mark Carney, der als entschiedener Gegner des EU-Austritts gilt, dass die Zentralbank einen Plan habe, wie sie das Wachstum, den Arbeitsmarkt und die Lohnentwicklung in Zeiten »erheblicher Unsicherheiten« unterstützen wolle.
Doch Mitte Juli hielten die Notenbanker nach dem ersten Treffen ihres geldpolitischen Ausschusses nach dem Brexit ihren Plan noch zurück. Damals erklärte die BoE, dass die verstärkte Widerstandsfähigkeit des britischen Finanzsystems und die Flexibilität der Regulatorien es ermöglicht hätten, dass die Auswirkungen des Referendums gedämpft und nicht verstärkt worden seien. Zeitgleich kündigte sie aber eine Lockerung der Geldpolitik für August an, da es erste Anzeichen für eine Verschlechterung der Stimmung bei den Haushalten und Firmen gebe.
Ihre Ankündigung vom Juli setzten die britischen Währungshüter nun um. Neben der bereits erwarteten Absenkung des Leitzinses erhöhen sie nun auch den Bestand britischer Staatsanleihen in ihren Büchern von 375 Milliarden Pfund (rund 443 Milliarden Euro) auf 435 Milliarden Pfund. Zusätzlich zu diesen 60 Milliarden Pfund an staatlichen Wertpapieren sollen binnen 18 Monaten noch zehn Milliarden Pfund an britischen Unternehmensanleihen gekauft werden. Außerdem sollen die britischen Banken mit einem zusätzlichen Programm unterstützt werden. Bereits Anfang Juli hatte die Notenbank die Kapitalvorschriften für Finanzinstitute gelockert.
Diese Reihe von Maßnahmen begründen die Notenbanker damit, dass sich die Wachstumsaussichten der britischen Wirtschaft wegen des Brexits »merklich« abgeschwächt hätten. Zwar ist die Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Jahres mit 0,6 Prozent noch etwas schneller gewachsen als in den drei Monaten zuvor, doch Umfragedaten wie die des Londoner Forschungsinstituts Markit deuten darauf hin, dass die Wirtschaft des Landes im dritten Quartal schrumpfen könnte. So ist die Stimmung in der britischen Geschäftswelt laut den Meinungsforschern auf dem schlechtesten Niveau seit dem Krisenjahr 2009.
Die nun verlautbarten Maßnahmen sollen Kredite für Haushalte und Unternehmen günstiger machen und so Nachfrage und Wirtschaft wieder ankurbeln. Damit nimmt die BoE bewusst einen geldpolitischen Zielkonflikt in Kauf. Wie die Europäische Zentralbank (EZB) hat sie nämlich vornehmlich die Aufgabe, die Inflationsrate auf einem Niveau nahe bei zwei Prozent zu stabilisieren. Noch im Mai lag die Teuerungsrate auf Grund der niedrigen Energie- und Lebensmittelpreise bei 0,3 Prozent. Doch auf Grund des Kurssturzes des Pfundes gehen die Notenbanker davon aus, dass die Inflationsrate bald über die Zielmarke hinausschießen könnte.
Das Öffnen der Geldhähne wird diese inflationären Tendenzen weiter verstärken. Die Notenbanker halten es jedoch derzeit für »angemessen«, auf Kosten einer überhöhten Inflationsrate der Wirtschaft einen zusätzlichen Impuls zu geben. Der EZB wäre eine so offensichtliche Förderung des Wirtschaftswachstums auf Grund ihrer Regeln verboten.
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