Chefentwickler von Googles Roboterautos geht

Bericht: Unzufriedenheit mit Ausrichtung des Projekts ausschlaggebend / Chris Urmson sucht »anderes Projekt, das zur Besessenheit wird«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Chefentwickler der selbstfahrenden Google-Autos, Chris Urmson, verlässt den Internet-Konzern. Er fühle sich bereit für eine neue Herausforderung, schrieb Urmson in einem Blogeintrag am späten Freitag. Die »New York Times« schrieb, er sei unzufrieden über die Ausrichtung des Projekts unter dem neuen Leiter John Krafcik gewesen und habe vor einigen Monaten mit Alphabet-Chef Larry Page darüber diskutiert. Urmson selbst habe bestritten, dass die Debatten mit Page der Grund für sein Ausscheiden seien, berichtete die Zeitung.

Der frühere Wissenschaftler der Universität Carnegie Mellon war seit den frühen Tagen des Projekts im Jahr 2009 mit dabei und übernahm die Führung, nachdem der Gründer des Forschungslabors Google X, Sebastian Thrun, sich vor einigen Jahren zurückgezogen hatte. Im vergangenen Jahr wurde dann ein ehemaliger Spitzen-Manager der US-Geschäfts von Hyundai, John Krafcik, zum Chef des Autoprojekts unter dem Dach der Google-Dachgesellschaft Alphabet ernannt. Urmson blieb Chefentwickler und präsentierte unter anderem die monatlichen Fortschrittsberichte.

Googles Roboterwagen hätten inzwischen insgesamt rund 2,9 Millionen Kilometer (1,8 Millionen Meilen) vom Computer gesteuert zurückgelegt, schrieb Urmson. Er ließ offen, was er als nächstes machen werde. Er habe beschlossen, dass es an der Zeit für ein neues Abenteuer sei. »Wenn ich ein anderes Projekt finde, das zur Besessenheit und mehr wird, werde ich mich doppelt so glücklich schätzen«, schrieb Urmson.

Der Konzern ist unter anderem weit bei der Software, die Sensor-Daten zu Umgebung und Verkehr auswertet und das Auto entsprechende Entscheidungen treffen lässt. Google baute seine Roboterwagen-Technik zunächst nur in Autos anderer Hersteller ein, testet inzwischen aber auch selbstfahrende Elektro-Zweisitzer aus eigener Entwicklung. Zugleich hieß es stets, man wolle nicht zum Autobauer werden und stattdessen lieber mit etablierten Herstellern zusammenarbeiten. Urmson zeigte sich in einem Interview am Rande der IAA im vergangenen Herbst zuversichtlich, dass es aus der Autobranche schließlich genügend Interesse an Partnerschaften geben werde. Die Google-Technologie wird gerade testweise in zunächst 100 Minivans von Fiat Chrysler eingebaut. Bisher ist unklar, wie weit diese Kooperation gehen könnte.

Unterdessen wurde in den vergangenen Jahren deutlich, dass viele Hersteller eigene Technologien vorantreiben und das zukünftige Geschäft selbst erschließen wollen. So kauften die deutschen Premium-Autobauer Daimler, BMW und Audi Nokia für über 2,6 Milliarden Euro das Geschäft mit digitalen Karten ab.

Es ist nicht der erste Abgang erfahrener Köpfe aus dem Google-Autoprojekt. So ist der frühere Entwickler Anthony Lewandowski unter den Gründern des Start-ups Otto, das an Technik für selbstfahrende Lastwagen arbeitet. Und nach Informationen der »New York Times« verabschiedeten sich jüngst zwei Experten für maschinelles Sehen, um ein eigenes Start-up zu gründen. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -