»Die Schere ist viel, viel größer geworden«
Das Bundesliga-Eröffnungsspiel zwischen Bremen und dem FC Bayern zeigt gleich die fehlende Chancengleichheit
Sie könnten ihren Spielern erzählen, wie es sich anfühlt, den FC Bayern auswärts zu ärgern. Bremen sicherte sich 2004 mit einem Sieg im Olympiastadion die Meisterschaft.
Das war eines meiner besten Jahre. Wir gewannen damals ja noch das Double. Für die Spiele gegen die Bayern waren wir besonders motiviert und sind mit Begeisterung hineingegangen, weil wir auch wussten, dass wir nicht chancenlos waren.
Von Chancengleichheit kann zu Beginn dieser Saison keine Rede mehr sein. Was ist seitdem passiert?
Die Schere war damals schon geöffnet. Als ich 1999 nach Bremen kam, war bereits ein großer Unterschied vorhanden. Aber er ist in den vergangenen Jahren viel, viel größer geworden. Sportlich und wirtschaftlich sind beide Vereine nicht mehr auf Augenhöhe, aber wir jammern nicht. Nichtsdestotrotz kann man in einem Spiel den Großen immer noch ärgern. Das gilt auch für das Eröffnungsspiel unter den jetzigen Umständen.
Werder Bremens Geschäftsführer Frank Baumann reizt die Partie an diesem Freitag beim FC Bayern München. Trotz der verschobenen Kräfteverhältnisse in der Liga findet er noch ruhigen Schlaf. Der Double-Gewinner von 2004 ist mittlerweile ganz oben im Management des Vereins angekommen und sprach mit Frank Hellmann über selige Zeiten und neue Pläne für Grün-Weiß.
Ist es ein Vorteil, gleich am ersten Spieltag in München anzutreten?
Egal, ob am ersten, zehnten oder 20. Spieltag: Bayern ist immer Favorit. Um dort zu bestehen, ist eine außerordentliche Leistung nötig, auch wenn die Münchener eine zerstückelte Vorbereitung unter einem neuen Trainer hinter sich haben.
Spricht die Deutsche Fußball Liga (DFL) so einen Termin mit Ihnen eigentlich ab? Oder wurden Sie vor vollendete Tatsachen gestellt?
Wir werden immer etwas vorab informiert, aber die Entscheidung ist zu dem Zeitpunkt bereits gefallen.
Der DFL-Vorsitzende Christian Seifert hat moniert, dass sich Gegner vor Bayern-Spielen in der Vorsaison absichtlich Gelbe Karten einhandelten, um die drohende Sperre in der ohnehin chancenlosen Partie abzusitzen. Bei Ihnen traf das auf Clemens Fritz und Zlatko Junuzovic zu, was zu einer Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht führte.
Generell sollte man alles vermeiden, was den Wettbewerb verzerren könnte. Aber wo setzt man die Grenzen? Kann auch sanktioniert werden, wenn Spitzenteams mal nur mit einer vermeintlichen B- oder C-Elf antreten? Strafen halte ich hier für schwierig.
Sie sagten bei Ihrem Amtsantritt, Ziel sei es nicht, den Klassenerhalt am letzten Spieltag wie einen Champions-League-Sieg zu feiern. Welchen Anspruch haben Sie?
Ich hatte noch als Außenstehender das Gefühl, dass der Kampf um den Klassenerhalt so im Vordergrund steht, dass man gar nichts anderes im Kopf hat. Das hat sich über die letzten Jahre vielleicht auch in der Mannschaft eingenistet. Ich weiß, dass auch diese Bundesligasaison eine besondere Herausforderung wird, aber wir sollten nicht die Überzeugung in der Mannschaft und im Verein verlieren, wieder mehr erreichen zu können.
Ihr Geschäftsführerkollege Klaus Filbry moniert bei von ihm so betitelten »Vitamin-B-Vereinen«, zu denen nun RB Leipzig hinzukommt, Fremdfinanzierung. Prallen in der Liga zwei Fronten aufeinander?
Klar ist der Wettbewerb dadurch anspruchsvoller geworden. Aber es ist doch kein neuer Trend, dass Traditionsvereine in der Versenkung verschwinden, wenn falsche Entscheidungen getroffen werden. Freiburg ist mit einem ganz anderen Ansatz als Leipzig auch wieder aufgestiegen. Mainz spielt seit Jahren eine gute Rolle in der Bundesliga. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir unsere Mittel sinnvoll einsetzen.
Ihre Berufung zum Geschäftsführer Sport kam überraschend. Sie hatten sich zuvor eine einjährige Auszeit gegönnt.
Ich wurde von der Entwicklung auch überrascht. Ich hatte fünfeinhalb intensive Jahre im Management hinter mir, nach denen ich erst einmal alles sacken lassen wollte. Ich habe diese Auszeit genommen, um vielleicht auch etwas anderes zu machen. Einen Job im Jugendtrainerbereich hätte ich mir gut vorstellen können; die Entscheidung, bei Werder in die erste Reihe zu treten, war zwar wohlüberlegt, kam aber doch spontan.
Sie wirken ruhig und gelassen. Wie stressig ist der Job?
Ich trage mehr Verantwortung, stehe mehr in der Öffentlichkeit. Aber bisher kann ich noch ganz gut schlafen.
Bundesliga-Manager haben viel mit Spielerberatern zu tun. Wie unterscheiden Sie zwischen guten und unseriösen?
Ich vertraue mir und meinen Mitarbeitern. Natürlich muss man mit Spielerberatern zusammenarbeiten, von denen es auch sehr viele seriöse Vertreter gibt. Das Wichtigste ist es, am Ende von den eigenen Entscheidungen innerlich überzeugt zu sein.
Manchesters Uniteds Trainer José Mourinho hat nach dem Rekorddeal mit Paul Pogba gesagt, der Transfermarkt sei verrückt geworden. Hat er Recht?
Das Geschäft hat in der Spitze sicherlich Dimensionen erreicht, die auch für den Fußball nicht gesund sind. Da muss man aufpassen, das Rad nicht zu überdrehen. In dem Segment, in dem sich Werder bewegt, ist es noch nicht so verrückt.
Müssen Sie nach der 1:2-Pokalniederlage in Lotte bereits Trainer Viktor Skripnik schützen? An Bremer Stammtischen ist schon viel Kritik zu hören.
Da sprechen viele mit, die gar nicht dabei sind. Die Mannschaft hat am Sonntag nicht ihre Leistung abgerufen, aber ich weiß, dass der Trainer alles angesprochen hat. Wir müssen nach solch einem Spiel eher mit der Mannschaft diskutieren - und das ist geschehen.
Bremens ehemaliger Kaderplaner Rouven Schröder hat gesagt, Werder würde immer noch höhere Gehälter zahlen als Mainz. Wann steht Bremen auch in der sportlichen Tabelle mal wieder vor Mainz?
Man kann den Mainzern sicherlich ein Kompliment aussprechen. Aber ich mag diese Vergleiche nicht: Wichtig ist für uns ein guter Tabellenplatz, da ist mir recht egal, ob wir vor oder hinter Mainz stehen.
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