Linksfraktion will »Bündnis für Frieden und soziale Sicherheit«

Klausur in Hannover beendet / Bartsch und Wagenknecht: Haben momentan in erster Linie außerparlamentarische Bündnispartner

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Berlin. Drei Tage vor den Landtagswahlen im Nordosten hat die Bundestagsfraktion der Linkspartei ihre Herbstklausur in Hannover beendet – und die Abstimmung in Mecklenburg-Vorpommern spielte dabei natürlich auch eine Rolle. »Wer unzufrieden ist, wer protestieren möchte, wer eine andere Politik möchte, ist bei der Linken gut aufgehoben«, wurde Fraktionschefin Sahra Wagenknecht zitiert – eine Antwort, die auch auf das drohende Wahlergebnis der Rechtsaußen-Partei AfD abzielt.

Der werden im Nordosten Werte über 20 Prozent vorhergesagt, und wer den Demoskopen Glauben schenkt, weißt, dass es nicht unbedingt irgendeine Kompetenz der Rechtspopulisten ist, die zu diesen Werten führt. Probleme der Wirtschaft, der sozialen Gerechtigkeit oder des Arbeitsmarktes zu lösen, das traut der AfD zu Recht niemand zu. Lediglich in der Asylpolitik meinen 12 Prozent, die Rezepte der Rechtsaußen würden am ehesten greifen – offenbar ein Erfolg der aggressiven Rhetorik gegen Geflüchtete.

»Rechtspopulisten den Boden zu entziehen, ist Ziel linker Politik«

Die Linkspartei kommt im Nordosten nur auf Werte zwischen 13 und 19 Prozent. Das hat auch etwas mit dem Bundestrend zu tun – schon bei den vergangenen Abstimmungen büßten die demokratischen Sozialisten deutlich Stimmenanteile ein. Eine im Osten mit der Altersstruktur zusammenhängende Mobilisierungsschwäche kommt hinzu. Und: Die Linken werden von immer mehr Frustwählern als Teil des etablierten Politbetriebs angesehen. Auch denen, sagt Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch, müsse man erfolgreicher zeigen, dass die Linkspartei eine tiefer greifende Veränderung der Politik wolle. Zugleich ist eine Mehrheit in der Partei für Regierungsbündnisse mit SPD und Grünen offen. Nicht wenige sehen das als schwierigen Spagat.

Die Bundestagsfraktion hat sich in Hannover vorgenommen, im letzten Jahr der Wahlperiode im Bund die Regierung »weiter unter Druck« zu setzen »und treibende Kraft für den Politikwechsel« zu bleiben. Ob sie dies derzeit überhaupt ist, wird unterschiedlich bewertet. In Umfragen liegt die Bundespartei um 9 Prozent, das ist zwar das Niveau des Ergebnisses von 2013, allerdings sind die Grünen längst vorbeigezogen – und in vielen Umfragen auch die Rechtsaußen-Partei AfD.

»Rechtspopulisten den Boden zu entziehen, ist Ziel linker Politik«, schreiben nun Wagenknecht und Bartsch in einem Positionspapier. Die »selbsternannte Protestpartei« AfD gehöre »in Wirklichkeit zum neoliberalen Parteienkartell, fordert weitere Rentenkürzungen und will Vermögens- und Erbschaftssteuern gleich ganz abschaffen«, heißt es darin unter anderem. Sie wolle »die Menschen gegeneinander im Kampf um Arbeitsplätze, Wohnungen oder Sozialleistungen gegeneinander ausspielen« und sei selbst »das Produkt neoliberaler Politik, die im Interesse einflussreicher Wirtschaftslobbys den sozialen Zerfall der Gesellschaft vorangetrieben und so viele Menschen von der Demokratie enttäuscht hat«. Die AfD ernte, »wo die Neoliberalen gesät haben«, so die linke Fraktionsspitze.

Die verbreitete Frustration ist laut Wagenknecht und Bartsch auch die Folge eines erodierenden »gesellschaftlichen Optimismus« - wo viele Menschen jahrzehntelang optimistisch in die Zukunft geblickt hätten, herrschen nun »Zukunftssorgen und Abstiegsängste« - selbst in weiten Teilen der Mittelschicht. Die Führung der Linksfraktion sieht dafür »die neoliberale Politik von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen« verantwortlich, ein Versuch, sich auch selbst von »den Etablierten« abzusetzen. Die Eigenständigkeit der Linkspartei wird mit einer »Politik für soziale Sicherheit und eine an den Traditionen der Entspannung orientierte Außenpolitik« umrissen. Dies sei auch »der Wille der Mehrheit der Menschen in Deutschland«.

Zurückhaltung beim Thema Rot-Rot-Grün

Mit Aufmerksamkeit dürfte bedacht werden, dass sich Wagenknecht und Bartsch mit Rufen nach einem rot-rot-grünen Bündnis auf Bundesebene stark zurückhalten. Für den »sozialen und demokratischen Neubeginn«, den man sich als Alleinstellungsmerkmal attestiert, habe man »momentan in erster Linie außerparlamentarische Bündnispartner. Das ist keine leichte Situation. Aber es ist auch eine Chance.« »Leider sind« derzeit SPD und Grüne »für eine soziale Wende und die Rückkehr zu einer friedlichen Außenpolitik noch nicht bereit«.

Was das heißt? Je stärker man als LINKE selbst werde, »desto eher werden auch SPD und Grüne« einen grundlegenden Politikwechsel unterstützen. Wenn die Linkspartei dies »konsequent kommuniziert und glaubhaft ausstrahlt, dann ist sie in der Lage, aus der aktuellen Situation gestärkt hervorzugehen und alternative Mehrheiten zu organisieren«, hoffen die Fraktionsvorsitzenden. Was man auch als Signal an jene in der Linkspartei verstehen darf, die offen für Rot-Rot-Grün werben und etwa die Neuwahl des Bundespräsidenten als eine Chance für eine konstellationspolitische Wende ansehen.

Wagenknecht und Bartsch betonen dagegen das »inhaltliche Angebot«. Man lade zu einem »Bündnis für Frieden und soziale Sicherheit« ein, das sich an »acht Ziele und Maßnahmen« halten solle, darunter »eine sofortige Anhebung des Mindestlohns auf 10 und dann so schnell wie möglich auf 12 Euro« sowie »die Wiederherstellung der Arbeitslosenversicherung anstelle von Hartz IV«; eine Rückkehr zum früheren Standard der gesetzlichen Sozialversicherung – das betrifft vor allem die Rente und einen Einstieg in die Bürgerversicherung im Gesundheitsbereich. Zudem soll »die Einführung einer Vermögenssteuer für Millionäre« und »eine angemessene Besteuerung hoher Erbschaften durchgesetzt werden«. Nicht zuletzt fordern Wagenknecht und Bartsch das Verbot von deutsche Waffenexporten sowie den Stopp aller »Kriegseinsätze der Bundeswehr«.

In weiteren Punkten werden ein Neustart der EU, eine wirksame Bekämpfung der Kinderarmut sowie Maßnahmen gegen Überwachung, für Integration und eine Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West angesprochen. »Diese Kernforderungen« seien »die Basis für eine Politik, die nicht mehr spaltet, trennt und Menschen gegeneinander ausspielt, sondern die allen in Deutschland und in Europa eine Perspektive bietet«. tos

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