Güterzüge im Schneckentempo
Michael Ziesak (Verkehrsclub Deutschland): Bundesverkehrswegeplan führt nicht zur Verlagerung auf die Schiene
Zu viele neue Straßen, zu wenig Klimaschutz, nicht finanzierbar: Verkehrsverbände und das Umweltbundesamt lassen kein gutes Haar am Bundesverkehrswegeplan. Steht in dem Entwurf von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt überhaupt etwas Erfreuliches drin?
Nein. Der Plan enthält nach wie vor viel zu viel Klima- und Umweltfeindliches. Es gibt keine Verkehrsverlagerung. Stattdessen führt Dobrindt die Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte fort, bei der immer mehr Straßen für angeblich mehr Wohlstand gebaut wurden. Gerade mit Blick auf die Beschlüsse von Paris hätten wir eine Verkehrswende gebraucht.
Was wäre notwendig, um die Defizite in dem Plan zu korrigieren?
De facto haben wir einen Verkehrswegeplan mit über 1200 Straßenprojekten, aber gerade mal 26 neue Vorhaben im Bereich der Schiene. Allein an der Anzahl kann man erkennen, dass Verkehrsverlagerung damit nicht möglich wird. Man sollte sich erst mal einen Fahrplan überlegen: Welche Verkehrsträger möchte man fördern? Und dann baut man die Infrastruktur. Umgekehrt geht das nicht. Bisher hat man vor allem Geld in die Fortführung alter Projekte investiert. Der Ansatz des Deutschland-Takts, wie ihn auch der VCD und andere Umweltverbände seit Jahren propagieren, kann Straßenverkehr vermeiden. Wenn die Fahrpläne von Zügen besser aufeinander abgestimmt und zuverlässiger sind, dann fahren die Menschen häufiger mit dem Zug.
Viele Straßen sind in keinem guten Zustand. Ist es da nicht verwunderlich, dass die Länder auch mehr Geld für den Straßenbau fordern?
Da gehe ich sofort konform: Erst muss der Erhalt von Straßen und Schienen gesichert sein und wenn dann noch Geld übrig sein sollte, ist ein weiterer Ausbau, wo wirklich notwendig, sinnvoll. Laut Bundesverkehrswegeplan soll erst 2021 oder 2022 mehr Geld für den notwendigen Erhalt anstatt in Neu- und Ausbau investiert werden - bis dahin zerbröckeln weitere Straßen. 2030 sollen noch mehr als zehn Prozent aller Straßen in ungenügendem Zustand sein. Wir leben weiter auf Verschleiß und zerfahren unsere Straßen und Brücken, weil wir unsere vorhandene Infrastruktur nach wie vor nicht ordentlich instand halten.
Der Verkehr verursacht ein Viertel der CO2-Emissionen Deutschlands, Tendenz steigend. Was muss passieren, damit der Ausstoß sinkt?
Einfach die Technik zu verbessern, ein bisschen mehr Elektroautos zu haben und zu hoffen, dass die Autoindustrie irgendwann bereit ist, die Grenzwerte für CO2 einzuhalten, reicht nicht. Sektorspezifisch muss ein klares Ziel formuliert werden, wie viele Emissionen wir 2020, 2030, 2040 und 2050 mindern wollen - mit dem Ziel einer Dekarbonisierung bis 2050. Dann muss die Bundesregierung festlegen, mit welchen Mitteln sie das erreichen will, und dies entsprechend kontrollieren. Dann werden wir relativ schnell feststellen, dass über technische Verbesserungen und E-Mobilität kurzfristig einiges drin ist, aber langfristig nichts an Verkehrsverlagerung und -vermeidung vorbeiführt. Allein mit technischen Verbesserungen und ein bisschen mehr Fahrradfahren werden wir das CO2-Problem nicht lösen.
Mehr ÖPNV anstatt motorisiertem Individualverkehr: Wie realistisch ist das im Autofahrerland Deutschland, wo der Draht zwischen Politik und Autoindustrie kurz ist?
Es ist realistisch. Die benachbarte Schweiz zeigt uns, wie das geht. Die Kilometer, die pro Person und Jahr mit dem Auto zurückgelegt werden, sind in der Schweiz und Deutschland in etwa ähnlich. Aber in der Schweiz wird trotzdem ein Vielfaches mehr Eisenbahn gefahren, weil das System massiv ausgebaut worden ist.
Was findet sich zur Elektromobilität im Bundesverkehrswegeplan?
Für die Straße denkt man für die Zukunft über die Sinnhaftigkeit der Elektrifizierung der rechten Autobahnspur nach. Wir hätten jedoch erwartet, dass nach der Einführung der Kaufprämie für E-Autos die Elektrifizierung im Schienenverkehr verstärkt vorangetrieben wird. Die Dekarbonisierung des Verkehrsbereichs müsste auch auf der Schiene stattfinden. In 30 Jahren dürfen keine Dieselloks mehr fahren. Man müsste jetzt auf Hybrid- oder Wasserstoffloks umsteigen - das ist Sache der Unternehmen. Sache des Bundes wäre es, die Infrastruktur dafür bereitzustellen. Und da tut er nichts. Bis heute gibt es keinen Plan, wie wir mit den nicht-elektrifizierten Strecken umgehen wollen.
Apropos Güterverkehr: Wie kann man die Wirtschaft dazu bringen, dass sie ihre Produkte mehr auf der Schiene transportiert?
In Ballungszentren wie Frankfurt, Mannheim, Hamburg, München oder Köln stehen Güterzüge im Stau oder kommen mit gerade mal 15 Kilometer je Stunde voran, weil sie für den Fern- und Nahverkehr Platz machen müssen. Das Prinzip des Deutschland-Taktes könnte hier helfen. Wir brauchen einen Taktfahrplan für alle Züge einschließlich der Güterzüge. Mit längeren Güterzügen können wesentlich mehr Güter pro Zug fahren, das würde auch den Güterverkehr günstiger mehr machen.
Am wichtigsten wäre es aber, wenn die Trassenpreise halbiert werden. Im Vergleich zur Lkw-Maut sind die Kosten auf der Schiene sehr hoch: Trassen-, Infrastruktur- und Stationspreisentgelte machen 40 bis 50 Prozent der Gesamtkosten aus. Diese Trassenpreise verhindern, dass mehr Verkehr auf die Schiene kommt.
Nach wie vor werden umweltschädliche Technologien wie der Diesel subventioniert.
Als großer Verfechter einer ökologischen Finanzreform halte ich es für zwingend geboten, dass wir Umweltverbrauch und -zerstörung mehr besteuern als Arbeit. Eine entfernungsunabhängige Straßenmaut für alle Fahrzeuge wäre sinnvoll. Wir brauchen wesentlich mehr Geld, wenn wir wirklich Verkehrsverlagerung in Richtung Schiene und nicht in Form neuer Ortsumfahrungen haben wollen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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