Seidenstraße des 21. Jahrhunderts
G20-Gipfel sucht Wege zur Emanzipation von der Dominanz von IWF und Weltbank
Kaum eine andere Stadt setzt Chinas mehrtausendjährige Geschichte so eindrucksvoll in Verbindung mit der modernen Entwicklung wie Hangzhou, Gastort des diesjährigen G20-Gipfeltreffens. »Oben ist der Himmel, unten sind Suzhou und Hangzhou« heißt es. Marco Polo soll vor 800 Jahren Hangzhou als eine der »großartigsten Städte der Welt« gelobt haben. Den im 8. Jahrhundert künstlich angelegten, 500 Hektar großen »Westsee« und seine malerische Umgebung westlich der Innenstadt möchte jeder Chinese einmal besucht haben. Noch heute gilt Hangzhou als »Seidenhauptstadt« Chinas, ist inzwischen jedoch viel mehr.
Als Hauptstadt von Zhejiang, einer der reichsten Provinzen des Landes, ist sie wichtigster Hightech-Standort Chinas nach Peking und Shanghai und übrigens städtepartnerschaftlich mit Dresden verbunden. Zwar stöhnen Hangzhous Einwohner derzeit wegen überbordender Sicherheitsvorkehrungen.
Dieser G 20-Gipfel soll gemäß dem Willen seiner Gastgeber »historisch« neue Wege in der internationalen Wirtschafts- und Finanzordnung erschließen und dazu beitragen, das internationale politische Kräfteverhältnis zugunsten der aufstrebenden Länder, allen voran Chinas, zu verändern. Im Kern geht es darum, die Steuerung und Koordination weltwirtschaftlicher Entwicklungen über Instrumente wie den von Washington nach dem Zweiten Weltkrieg installierten und dominierten Internationalen Währungsfonds und die Weltbank stark einzuschränken.
Ebenso wird eingeschätzt, dass die G7-Runde der entwickelten Länder - also ohne Russland - zunehmend nicht in der Lage sei, neue Entwicklungen in den Griff zu bekommen. Besser wäre das über die G20 möglich, die weltweit bis 2030 circa zwei Drittel aller Waren und Dienstleistungen pro Jahr erbringen; in den 70er Jahren rund ein Drittel. China ist hier Vorreiter und wird erstmalig in der G20-Geschichte zwei Bereiche neu auf die Tagesordnung bringen: eine Initiative zur Unterstützung afrikanischer Staaten und unterentwickelter Länder mit dem Ziel der nachhaltigen Armutsbekämpfung und eine weitere zum Kampf gegen Protektionismus.
Wirkungsvoller als noch beim Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft in Peking im November 2014 kann sich China inzwischen auf Konkretes stützen: Die Initiative zum »Aufbau des Wirtschaftsgürtels entlang der Seidenstraße und der maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts« hat weiter Gestalt angenommen. Rund 60 Länder werden daran beteiligt sein, davon etliche in Zentralasien, die bisher kaum über moderne Infrastruktur verfügen, keine Zugänge zum Meer haben oder rohstoffarm sind.
So traf vor wenigen Wochen über Zentralasien geleitet der erste Container-Zug aus China in der iranischen Hauptstadt Teheran ein. Seit September 2014 sind wöchentlich vier Züge zwischen China und Deutschland unterwegs. Und im November 2015 traf Präsident Xi Jinping 16 osteuropäische Staats- und Regierungschefs in der ostchinesischen Stadt Suzhou, um die Ausgestaltung der neuen Seidenstraße zu beraten. Bemerkenswert ist daran, dass für Peking die EU der politisch-strategische Hauptpartner in Europa ist und bleibt. Interessengeleitet geht es aber zugleich darum, EU-Mitgliedsländer und Nicht-EU-Mitglieder in die Initiative einzubinden und mit ihnen eine langfristige Zusammenarbeit aufzubauen. Mit der Asiatischen Infrastruktur-Investmentbank unter Chinas Federführung wurde im Juni 2015 dafür ein Finanzierungsinstrument geschaffen, das die USA strikt ablehnten, inzwischen aber akzeptieren.
Daueraufgabe bleibt für Peking nach diesem G20-Gipfel, stets das richtige Verhältnis zu finden zwischen der wachsenden eigenen internationalen Verantwortung bei der Gestaltung der Globalisierung und dem Miteinander der G20 trotz unterschiedlicher oder gegensätzlicher nationaler Interessen einzelner Länder.
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