Integration als Schreibtischjob
Velten Schäfer über die Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge
In Bayern ist sie jetzt in Kraft, in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt soll sie kommen: Die Wohnsitzauflage für - notabene bereits anerkannte - Flüchtlinge greift um sich. Das ist seit Kurzem Ländersache.
Dienen soll der Ansiedlungszwang der Integration. Man will »Gettos« verhindern, einen Massenzuzug in überlaufene Ballungsräume eingrenzen. Die Menschen sollen gleichmäßig verteilt werden, auch mit Blick auf lokale Haushalte. Was man rechtlich-moralisch fragwürdig finden kann, ist aus Planersicht schon nachvollziehbar. Doch kommt es sehr auf die Umsetzung an. Denn die Versuchung ist groß, Flüchtlinge kurzerhand dorthin zu verfrachten, wo es etwa Leerstand gibt - in strukturschwache Landstriche, die schon Einheimischen wenig Perspektive bieten. An solchen Orten entstehen schnell wenig »integrative« Situationen.
Darüber hinaus ist Integration zuerst eine individuelle Empfindung und kein Schreibtischjob. Eine schlechte Wohnortzuweisung kann nicht nur Angekommene von gleichsprachigen Gemeinschaften isolieren, die schon wissen, wie Leben in Deutschland geht. Sondern sie kann auch als Schikane verstanden werden: Ihr seid eine Belastung, ihr gehört nicht dazu.
Es ist abzuwarten, was die Länder daraus machen. Was nicht passieren darf, ist eine Verteilung nach dem Motto »Aus den Augen, aus dem Sinn«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.