Unruhen in der Erdölrepublik
Nach der Wiederwahl von Gabuns Präsidenten wird das Land von Protesten erschüttert
Gabun kommt nach Verkündung des Wahlergebnisses nicht zur Ruhe: Anhänger der Opposition und Sicherheitskräfte lieferten sich auch am Donnerstag schwere Straßenschlachten. In der Hauptstadt Libreville wurden nach Angaben von Amnesty International mehrere Oppositionsanhänger erschossen. Anlass der Unruhen ist der am Mittwochabend verkündete Wahlsieg von Gabuns Präsident Ali Bongo, den die Opposition zurückweist. Die Gewaltexzesse der Sicherheitskräfte müssten umgehend enden, forderte der zuständige Direktor von Amnesty International, Alioune Tine.
Bereits die erste Bestätigung von Ali Bongo im Amt des Präsidenten durch Wahlen ging Ende August 2009 nicht glatt über die Bühne. Bei Unruhen vor allem in der Hafenstadt Port-Gentil starben damals 15 Menschen.
Am vergangenen Samstag nun hatte sich Ali Bongo nach dem Ende seiner ersten siebenjährigen Amtszeit zur Wiederwahl gestellt. Sein stärkster Gegenbewerber, der 1942 als Sohn eines Chinesen und einer Gabunerin geborene Jean Ping, der von 2008 bis 2012 als Generalsekretär der Afrikanischen Union (AU) amtierte, kommt selbst aus dem Inneren des Systems: Er war einst der Schwiegersohn von Ali Bongos Vater, dem früheren Staatsoberhaupt Gabuns Omar Bongo, und ausgerechnet mit dessen politisch einflussreichster Tochter Pascaline Bongo verheiratet. Diese war unter dem 2009 verblichenen Autokraten für die Finanzen zuständig.
Jean Ping hatte unlängst einen Wahlbetrug vorausgesagt. Sein Argument lautete: Er wisse ja, wie das System funktioniere, denn als er Omar Bongos Außenminister war, habe er der damaligen Manipulation von Urnengängen beigewohnt. Auch deswegen hatte er seine Anhänger zur Wachsamkeit aufgerufen. Allein, es half ihm nichts: Am Mittwochnachmittag, mit eintägiger Verspätung gegenüber den vorherigen Ankündigungen, gab die zuständige Wahlkommission das amtliche Ergebnis bekannt. Demnach liegt Ali Bongo mit 49,8 Prozent in Führung, Jean Ping liegt mit angeblich 48 Prozent knapp hinter ihm. In der Nacht zum Dienstag, als bereits die offiziellen Ergebnisse aus fünf von neun Provinzen bekannt gegeben worden waren, hatte Ping zunächst noch als Wahlsieger dagestanden.
Nach dem Bekanntwerden der Zahlen, die durch Pings Unterstützer und die übrigen Oppositionskräfte als Täuschungsmanöver bezeichnet werden, gingen Tausende von Menschen auf die Straße. Am Abend stürmten Sicherheitskräfte das Wahlkampfhauptquartier Pings. Sie gaben vor, nach jenen zu suchen, die wenige Stunden zuvor Feuer in der Nationalversammlung in Libreville gelegt hätten. Ping sprach von zwei Toten, unabhängige Quellen gehen von einer größeren Zahl aus. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich forderte die Bekanntgabe aller Einzelresultate aus den Wahllokalen, um das Gesamtergebnis zu überprüfen; die US-Administration erklärte sich »besorgt«. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin verurteilte zuerst die »Gewalt« der Opposition und forderte dann »beide Seiten« zum »Dialog« auf.
Ein Sprecher Bongos warf dem Oppositionskandidaten Ping im französischen Auslandsrundfunk RFI vor, die Unruhen von langer Hand geplant zu haben. Ping dagegen erklärte dem Sender zufolge, er fürchte um seine Freiheit und körperliche Unversehrtheit und halte sich deshalb versteckt. Der ehemalige Premierminister rief die EU und die ehemalige Kolonialmacht Frankreich auf, zu seinen Gunsten zu intervenieren. Bongo müsse den Willen des Volkes respektieren, sagte Ping.
Die am Äquator gelegene Erdölrepublik Gabun zählt zu den wichtigsten Einzelstaaten in der Einflusssphäre des französischen Neokolonialismus in Afrika und ist nach Nigeria, Angola, Algerien und Libyen der größte Rohölproduzent des Kontinents. Hinzu kommen Vorkommen an Uran, Mangan, Eisenerz und anderen Metallen sowie der Abbau von Tropenhölzern. In Gabuns Hauptstadt Libreville befindet sich - neben Djibouti am Horn von Afrika - die zweite größere, ständige Militärbasis Frankreichs auf dem Kontinent.
Seit 1967 regiert dieselbe Familie das Land, dessen politische Elite sieben Jahre zuvor die Unabhängigkeit von der früheren Kolonialmacht Frankreich nur widerwillig akzeptiert hatte - aus Furcht, die Rohstoffreserven des Landes mit den kamerunischen und kongolesischen Nachbarn teilen zu müssen. Zusammen mit diesen Ländern hatte Gabun zuvor die Kolonie »Französisch-Äquatorialguinea« gebildet. Albert-Bernard Bongo, ein Mitarbeiter des französischen Militärgeheimdienstes und seit 1961 Minister, riss beim Tod des Amtsinhabers Léon Mba das Präsidentenamt an sich. Bis zu seinem Tod amtierte er 42 Jahre lang als Staatsoberhaupt. Der Präsident, der 1973 aus außenpolitischen Gründen - während der ersten Ölkrise und im Zuge einer Umstrukturierung der OPEC - zum Islam konvertierte und sich fortan Omar Bongo nannte, starb im Juni 2009 in einem Krankenhaus in Barcelona. Denn dem heimischen Gesundheitssystem traute er nicht, weil er um dessen desolaten Zustand wusste. Frankreich wollte ihn nicht auf seinem eigenen Boden aufnehmen, während in Paris und Libreville um die Nachfolge verhandelt wurde. Diese wurde einem von Omar Bongos Söhnen, dem bisherigen Verteidigungsminister Ali Bongo, zugesprochen. Und der hält sie fest.
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