Verspätetes Fluggepäck: Wer erstattet Kosten für Ersatzkleidung?
Urteile zum Reiserecht
Der Fall: Eine Pauschalreisende war für eine Woche nach Spanien geflogen. Die Reise war jedoch von Pleiten, Pech und Pannen gekennzeichnet: Der Abflug verzögerte sich um 24 Stunden, vor dem Hotelfenster war eine Baustelle, der Koffer kam drei Tage später an.
Die Reisende kaufte daraufhin nach und nach verschiedene Kleidungsstücke guter Qualität, Duschgel, Cremes, Haarbürste und Schuhe für insgesamt 464,74 Euro. Der Reiseveranstalter bot ihr nach ihrer Rückkehr als Ausgleich für die Probleme Erstattungen an. Die anteilige Erstattung für die Kofferverspätung lag bei 26 Euro, für die Ersatzkäufe sollte sie 150 Euro erhalten. Dies reichte der Frau aber nicht. Sie ging vor Gericht.
Das Urteil: Im Verfahren hatte der Reiseveranstalter die zuvor angebotenen 150 und 26 Euro anerkannt. Doch nach einer Information der D.A.S. Rechtsschutz Leistungs-GmbH entschied das Amtsgericht Köln am 11. Januar 2016 (Az. 142 C 392/14), dass der Reisenden zusätzlich eine Minderung des Reisepreises für jeden der Reisemängel zustehe - auch für die Verspätung des Koffers.
Denn: Stehe dem Reisenden während eines Teils des Urlaubs sein Gepäck nicht zur Verfügung, sei die Reise beeinträchtigt. Der Grad der Beeinträchtigung richte sich danach, inwieweit der Reisende durch Ersatzkäufe Abhilfe schaffen könne. Da die Klägerin alles Nötige habe kaufen können, setzten die Richter für jeden Tag ohne Koffer eine Minderung von 15 Prozent des auf einen Tag entfallenden Reisepreises an. Dieser Betrag schloss die vom Veranstalter zugestandenen 26 Euro bereits ein.
Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Ersatzkleidung bestand nach Ansicht des Gerichts nicht. Denn unterm Strich habe sie keinen Schaden erlitten: Sie habe nun zusätzliche hochwertige Kleidung, die sie im Alltag nutzen könne. Schadenersatz hätte sie demnach nur fordern können, wenn sie einen echten Vermögensnachteil erlitten hätte - etwa durch den Kauf von im Alltag nicht nutzbarer »Notkleidung«.
Immerhin erhielt sie den vom Reiseveranstalter freiwillig zugestandenen Betrag von 150 Euro für die Ersatzkleidung. Dazu kam die Preisminderung für die Wartezeit auf den Koffer und für weiteren Reisemängel. D.A.S./nd
Dreckiges Meer ist kein Reisemangel
Wer im Urlaub erkrankt, weil er im dreckigen Meerwasser schwimmt, kann dafür nicht den Reiseveranstalter verantwortlich machen.
Der Fall: Eine fünfköpfige Familie verbrachte ihren Urlaub in der Türkei. Noch am ersten Tag badete die Familie im Mittelmeer. Nach zwei Tagen begann sich der Gesundheitszustand der Fünf zu verschlechtern. Durchfall und Erbrechen bestimmten fortan den Urlaub der Familie. Nach der Rückkehr erfuhr der Familienvater in einem TV-Beitrag über das Urlaubsresort, dass die örtliche Kläranlage einen Defekt hatte und das Abwasser ungeklärt in Strandnähe ins Meer geleitet wurde. Daraufhin forderte er eine Reisepreisminderung.
Das Urteil: Das Landgericht Köln (Az. 22 O 204/15) stellte sich nach einer Information der telefonischen Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (DAH) auf die Seite des Reiseveranstalters. Denn es gehöre zum allgemeinen Risiko eines jeden Reisenden, im Urlaub zu erkranken. Gerade in südlichen Ländern seien zur Urlaubszeit Durchfallerkrankungen üblich.
Dem Reiseveranstalter könne kein Versäumnis vorgeworfen werden. »Es handelt sich hier um einen bekannten Badeort, und der Reiseveranstalter darf sich darauf verlassen, dass die Qualität des Wassers dort laufend geprüft wird«, erklärt Rechtsanwalt Karl Heinz Lehmann von der telefonischen Rechtsberatung.
Dass im Hotel unhygienische Zustände herrschten, konnte nicht belegt werden. Zwar waren 38 Hotelgäste erkrankt, angesichts von 691 Gästen sei das vernachlässigbar, so das Gericht. Der Reiseveranstalter komme dafür nicht auf. DAH/nd
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