Kiel stolpert schon früh
Handballrekordmeister verliert in Wetzlar und vermiest dem Trainer eine Party
Andreas Wolff war restlos bedient und Geburtstagskind Alfred Gislason überhaupt nicht zum Anstoßen zumute: Im Mannschaftsbus des deutschen Handball-Rekordmeisters THW Kiel herrschte nach der unerwarteten 24:27 (10:15)-Pleite beim bisherigen Lieblingsgegner HSG Wetzlar um Mitternacht trotz des 57. Geburtstages von Trainer Gislason Geisterstimmung statt Partylaune.
Nationaltorwart Wolff schaute nach der misslungenen Rückkehr zu seinem Ex-Klub nur wenige Wochen nach seinem Wechsel zu den Zebras besonders griesgrämig drein. »Ich glaube nicht, dass ich diesen Tag in guter Erinnerung behalten werde«, brummte der Europameister nach dem frühen ersten Ausrutscher in der gerade erst angebrochenen Bundesligasaison. »Ich hatte mich auf das Spiel gefreut, und ich habe auch viele Bekannte gesehen, aber um meine Gemütslage zu beschreiben, braucht es keine großen Worte: Es ist ein Scheißgefühl.«
Dabei hatte der neue Kieler Keeper vor dem Saisonauftakt noch große Töne gespuckt und von Kiels »Potenzial, kein Spiel zu verlieren«, geschwärmt. Dass Wolffs Hoffnung nicht einmal 48 Stunden nach dem 27:22 zum Saisonstart bei 1898 Stuttgart bereits Makulatur war, traf die selbst ernannten Meisterschaftsfavoriten wie ein Keulenschlag.
An vielen Orten, aber wohl ganz sicher nicht in Wetzlar hatte Kiels Starensemble einen Dämpfer für seine Ambitionen auf die Rückeroberung des an die Rhein-Neckar Löwen verlorenen Meistertitels befürchtet: Seit ihrer letzten Niederlage gegen die Mittelhessen im Oktober 2002 hatten die Nordlichter bis Dienstagabend sämtliche 27 Bundesligaduelle gegen Wetzlar gewonnen.
Für eine Fortsetzung dieser Erfolgsserie bot die Mannschaft von Erfolgstrainer Alfred Gislason jedoch schlichtweg zu wenig guten Handball an. Nicht einmal in der Partie lagen die Kieler nach einer völlig enttäuschenden Vorstellung im ersten Durchgang in Führung und liefen vielmehr ständig einem Rückstand hinterher. Trotz erkennbarer Bemühungen konnten sie auch danach keine wirklich zwingende Aufholjagd einleiten. Gislasons Hoffnungen auf einen Pflichtsieg als vorgezogenes Geschenk zu seinem 57. Geburtstag am Mittwoch blieben somit zwangsläufig unerfüllt.
Die verspielten Punkte wogen für den Isländer denn auch schwerer als die verdorbene Party auf der nächtlichen Heimfahrt. »Wie wir gespielt haben, war die Niederlage verdient«, sagte Gislason kurz angebunden.
In Wetzlars Lager freute sich dagegen vor allem Jannick Kohlbacher über den Coup seiner Mannschaft und fünf eigene Treffer gegen seinen Kumpel Wolff: »Ich bin so oft an ihm verzweifelt, aber dieses Mal wusste ich immer, was er macht. Für ihn tut es mir leid, aber für uns ist es eine geile Sache.«
Die HSG Wetzlar verlieh dem »Sensationssieg« gar einen noch höheren Stellenwert und gab seinen Fans auf der eigenen Homepage auch noch einen Tipp: »Einrahmen und genießen!« So schnell wird das wohl nicht zu wiederholen sein. SID/nd
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