Deutsch-türkische Entfremdung
Jürgen Amendt über den Streit zwischen Deutscher Welle und der türkischen Regierung über ein Fernsehinterview
Michel Friedman hat dem türkischen Jugend- und Sportminister Akis Cagatay Kilic vor laufender Kamera Fragen gestellt, die diesem offenbar nicht gefallen haben. Themen waren nach Friedmans Angaben u.a. die Situation der Kurden, die Verfolgung von Journalisten, Lehrern, Richtern und Regierungskritikern. Dies, so Friedman, hätte Kilic sichtlich nicht behagt. Am schwierigsten sei das Gespräch aber geworden, als es um die Rolle der Frau in der türkischen Gesellschaft, um Verhütung und um religiöse Fragen gegangen sei. An diesem Punkt habe Kilic das weitere Gespräch verweigert.
Der Vorgang offenbart die zunehmende Entfremdung zwischen den Eliten in Deutschland und in der Türkei. Man lebt einfach in zwei verschiedenen Welten, der eine - Friedman - in einer säkularisierten Gesellschaft, in der tradierte religiöse Werte und Normen als Privatsache gelten, der andere - Kilic - ist von eben solchen tradierten Vorstellungen geleitet und strebt eine Re-Theologisierung der Gesellschaft an. Da ist auch nicht verwunderlich, dass sich der Eklat weniger an Fragen zur Meinungsfreiheit und Menschenrechten entzündet hat, als an den Themen Sexualität, Stellung der Frau in der Gesellschaft und Religion.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.