NRW will Frauen (be-)fördern und darf nicht
Düsseldorfer Landesregierung scheiterte mit Gesetz zur Karrierebeschleunigung von Landesbeamtinnen vor Verwaltungsgericht
Das Gesetz mit dem sperrigen Namen »Dienstrechtsmodernisierungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen« (DRModG NRW) beschäftigte den Düsseldorfer Landtag über Monate. Dutzende Experten wurden gehört, zahllose Änderungsanträge verfasst. Nötig wurde das Gesetz durch die Föderalismusreform von 2006. Sie regelte die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern neu. Die Besoldung und Versorgung von Landes- und Kommunalbeamten ist seitdem Ländersache.
Etwa 347.000 Beamte unterstehen in Nordrhein-Westfalen dem Land, hinzu kommen 225.000 Versorgungsempfänger, also Pensionäre und Ruheständler. In ersten Schritten sorgte das Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2013 und 2014 für Rechtssicherheit bei Besoldung und der Ausgestaltung von Beamtenlaufbahnen. Der große Wurf sollte allerdings mit dem Dienstrechtsmodernisierungsgesetz erst noch folgen.
Am 9. Juni beschloss der Landtag mit rot-grüner Mehrheit das Gesetz, das am 1. Juli in Kraft trat. Das Gesetz umfasst 132 Seiten und regelt beinahe alles, von den Voraussetzungen einer Beamtenlaufbahn über die Kostenerstattung bei beschädigter Dienstkleidung bis zum Eintritt in den Ruhestand. Über einen Großteil der Punkte im neuen Gesetz herrschte unter den Landtagsparteien Einigkeit. Aber Paragraf 19 Absatz 6, der nicht mal eine Viertelseite umfasst, sorgte schon im Gesetzgebungsverfahren für Streit – und nun für die Niederlage des Landes vor dem Verwaltungsgericht.
Ein einziger Satz zur Beförderung von Frauen erhitzt die Gemüter. Im Gesetz heißt es »Frauen sind bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen.«
Problematisch daran sind die beiden Wörter »im Wesentlichen«: Für Andrea Sauer-Schnieber vom Deutschen Beamtenbund wird im Gesetz die »Binnendifferenzierung« bei den für Beförderungen entscheidenden Beurteilungen über Bord geworfen. Außerdem sieht sie die Gefahr, dass »Bewerter« mit diesem Gesetz Frauen schlechter beurteilten, um ihnen genehme männliche Kandidaten durchzusetzen. Für Prof. Andreas Gourmelon von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in NRW ist das Problem, dass mit dem Gesetz Männer von einer Karriere im öffentlichen Dienst abgeschreckt würden, weil sie bei gleichlautenden Beurteilungen keine Chancen auf Beförderungen hätten. Außerdem sieht er ein Problem im Beurteilungssystem und schlägt vor, »wissenschaftlich fundierte, eignungsdiagnostische Verfahren« bei den Beurteilungen hinzuzuziehen. Der DGB NRW begrüßte in seiner Stellungnahme den Text zur Frauenbeförderung »grundsätzlich«, schlug aber ergänzende, an die Behörden angepasste Dienstvereinbarungen vor. Außerdem solle die Förderung von Frauen auch auf Tarifbeschäftigte ausgeweitet werden. Wichtig sei es, so DGB-NRW-Chef Andreas Meyer-Lauber, das Gesetz »mit Leben« zu füllen.
Überraschend fortschrittlich ist die Kritik der CDU-Fraktion. Sie weist darauf hin, dass die Bewertungskriterien für Beförderungen an unterschiedliche Lebensphasen und Realitäten angepasst werden müssten. Momentan sei es so, dass Teilzeitmodelle direkt ein Makel in der Personalakte seien. Dagegen helfe auch keine grundsätzliche Bevorzugung von Frauen. Für ein modernes Dienstrecht müsse es möglich gemacht werden, dass auch Führungspositionen auch in Teilzeit ausgeübt werden können. Die FDP-Fraktion lehnt das Gesetz zur Frauenbeförderung ab, aus ihrer Sicht können Beförderungen ausschließlich nach dem Leistungsprinzip erfolgen. Dies sehe das Bundesrecht vor.
Das Bundesrecht machte dem »grünen Prestigeprojekt« der bevorzugten Frauenbeförderung nun auch den Garaus. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht entschied, dass das Land Nordrhein-Westfalen hier keine Gesetzgebungskompetenz habe, in diesem Fall liege eine konkurrierende Gesetzgebung vor, bei der das Bundesrecht überwiege. Und das Beamtenstatusgesetz des Bundes regele, dass Ernennungen nach Leistung und ohne Rücksicht auf das Geschlecht, zu tätigen seien.
Das Land kann nun gegen diese Entscheidung vor das Oberverwaltungsgericht ziehen. Es sei aber noch nicht entschieden, ob man diesen Weg gehen werde, teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit.
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