Lebe lang und vegan
Warum es laut Mr. Spock absolut logisch ist, keine Tiere zu essen
Es ist erstaunlich, in welchem lebenswerten Zustand sich die Erde im 23. Jahrhundert befindet. Dank der Sci-Fi Serie Star Trek darf sich die Menschheit weiterhin einen gewissen Optimismus bewahren, dass die noch fern scheinende Zukunft doch nicht zwangsläufig mit einem unbewohnbaren Planeten endet, den das vermeintlich intelligenteste Wesen dieses Planetens durch ungebrochenen Konsum und Wirtschaftswachstum zugrunde richtete.
Nun war Star Trek-Schöpfer Gene Roddenberry pfiffig genug, uns die Größenordnung dieses Dilemmas nicht unter Androhung von Phaser-Pistolengewalt einzutrichtern, sondern subtil auf ein wachsende Problematik hinzuweisen, vor der wir unweigerlich stehen: Die Begrenztheit natürlicher Ressourcen.
Betrachtet man die Ernährungssituation der Enterprise-Besatzung, so stellt sich zwangsläufig eine Frage, die auch von der real existierenden Raumfahrt in kleinerem Maßstab gelöst werden muss: Wie lässt sich eine mehrere hundert Mitglieder umfassende Besatzung über mehrere Wochen und Monate ausreichend mit Lebensmitteln versorgen? An Bord eines Raumschiffes gibt es kaum ausreichend Fläche, um weder Nahrung zu transportieren, geschweige diese anzubauen. Man darf dabei nicht vergessen: Jedes weitere Kilo bedeutet zusätzliches Gewicht und nimmt damit nicht nur den ohnehin begrenzten Platz ein, sondern kostet Energie, beziehungsweise Treibstoff. In weitaus anderen Größenordnungen lässt sich das Dilemma auch auf die Erde übertragen: Zwar sind hier die verfügbaren und dennoch begrenzten Flächen deutlich größer, Landwirtschaft ist möglich, doch auch diese verlangt ebenso nach Ressourcen und Energieeinsatz. Alles davon ist irdisch nur begrenzt verfügbar.
Für die Raumfahrt bei Star Trek bedient sich Roddenberry eines Tricks: Durch die Erfindung des Replikators wird die Erkundung ferner Welten im fiktiven 23. Jahrhundert überhaupt erst möglich. Auf Knopfdruck erzeugt die Maschine aus der Energie des Warpkerns und aufbereiteten Materieabfällen binnen Sekunden jedes denkbare Gericht. Was in der Realität selbstredend unmöglich ist, basiert aus der Fiktion übertragen einerseits auf der simplen Idee des Recyclings (Die Ressourcen der Enterprise werden mehrfach genutzt), andererseits auf dem Prinzip, aus möglichst wenig Ressourcen viele nutzbare Güter zu gewinnen. In diesem Fall sind es Lebensmittel, um die Versorgung der Besatzung sicherzustellen. Die eigentliche Pointe ist aber: Während ihrer Reise auf der Enterprise ernähren sich deren Mitglieder vegan, da die Nahrung eben nur aus verarbeiteter Energie und Materie besteht und somit keinerlei tierische Bestandteile enthält.
Was allerdings nicht bedeutet, dass die Mehrheit der Besatzung auch tatsächlich konsequent vegan lebt: Auf den meisten Planeten des Star Trek Universums existieren Abwandlungen und moderne Formen von Landwirtschaft und/oder Jagd, die eben auch auch tierische Lebensmittel hervorbringen.
An dieser Stelle wird es nötig, sich genauer mit der Figur des Mr. Spock zu befassen: Roddenberry erschuf mit den Vulkaniern ein Volk, dessen gesamtes Handeln auf dem dem Prinzip der Logik aufbaut. Aus dieser rationell geprägten Haltung leitet sich unter anderem das vulkanische Prinzip »Es ist unlogisch ohne Grund zu töten!« ab. Für die Vulkanier verbietet es sich damit folgerichtig, auch Tiere zu töten, da in der Zukunft des 23. Jahrhunderts alle notwendigen Bedingungen für eine vegane Lebensweise gegeben sind. Das Roddenberry die Vulkanier lediglich zu Vegetariern erklärte, dürfte vor allem damit zu tun haben, dass in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts der Vegetarismus in der Regel wohl als das denkbare Maximum an Gewaltlosigkeit gegenüber Tieren angesehen wurde. Ein moderner Spock wäre zweifellos Veganer, da in der Gegenwart des 21. Jahrhunderts – zumindest in den Industrienationen – alle Bedingungen für eine tierfreie Lebensweise nicht nur existieren, solch eine Haltung sogar zwingend logisch ist, um mit vulkanischer Logik zu sprechen.
Vergegenwärtigen wir uns das zu Beginn dieses Textes benannte Problem der begrenzten irdischen Ressourcen, würde Mr. Spock zu dem Schluss kommen, dass es schlicht ökonomischer als auch ökologischer Irsinn wäre, an einer Ernährung mit tierischen Lebensmitteln festzuhalten. Für die Herstellung einer tierischen Kalorie werden zwischen fünf bis dreißig pflanzliche Kalorien verfüttert, weshalb weltweit auf einem Drittel der Ackerflächen, auf denen pflanzliche Nahrung wachsen könnte, stattdessen Futtermittel für die Fleischindustrie angebaut werden. Gleichzeitig trägt Fleisch aber nur zu einem Fünftel zur globalen Versorgung mit Nahrungsmitteln bei. Berücksichtigt ein Mr. Spock nun noch den weltweit wachsenden Hunger auf Fleisch, der sich insbesondere in den wirtschaftlichen aufstrebenden Staaten wie China oder Indien am Lebensstil der westlichen Industrienationen orientiert, würde der Halb-Vulkanier zu dem Schluss gelangen: Das ist nicht nur unlogisch, sondern zudem völlig gefährlich für den Fortbestand des zivilisierten Lebens auf der Erde.
Letztlich bleibt für den Konsum tierischer Lebensmittel ein Argument, dass sich mit Logik nicht widerlegen lässt, da es schlicht nicht rational ist. Da Spock eine menschliche Mutter hat, wird sein Handeln in gelegentlichen Situationen auch von Emotionen und eben nicht durch Logik bestimmt. In der Episode »All Our Yesterdays« gerät er auf einen Planeten, auf dem als einziges Lebensmittel Fleisch zur Verfügung steht. Nachdem Spock einen ersten Bissen zu sich nimmt, überkommen ihn Zweifel: »Ich habe mich schändlich verhalten. Ich habe ein Stück Fleisch gegessen und habe es genossen. Was stimmt nicht mit mir?«
Obwohl sich Spock hier offensichtlich in Folge des Mangels an Alternativen in einer Extremsituation befindet und der Verzehr von Fleisch hier durchaus legitim erscheint, plagen in Gewissensbisse. Diese sind jedoch – um mit den Worten des wissenschaftlichen Offiziers zu sprechen, unlogisch begründet: Da Veganismus keinesfalls bedeutet, das eigene Leben in Gefahr zu bringen, kann der Rückgriff auf tierisches in bestimmten Situationen nur logisch sein: Ein beliebtes Gedankenexperiment, um Veganern die scheinbare Inkonsequenz ihrer Lebenshaltung aufzuzeigen, besteht im fiktiven Beispiel des Flugzeugabsturzes auf einer einsamen Insel. Es dürfte wohl keinen Veganer geben, der in dieser Notsituation nicht auch auf Fleisch als Mittel zur Erhaltung des eigenen Körpers zurückgreifen würde, wenn die Nahrungsmittelquellen stark begrenzt sind. Abgesehen davon, taugt das Beispiel nicht als Argument gegen eine tierfreie Lebensweise, weil es schlicht nicht den Alltag betrifft, der bei Mr. Spock in der Regel aus dem Verzehr von Replikator-Mahlzeiten besteht. Für uns irdische Lebewesen bleibt immerhin der Supermarkt. Unser Lieblings-Halbvulkanier würde zum Abschluss wohl sagen: »Lebe lang und vegan.«
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