Alstom schließt Werk in Belfort
Vorhaben des Bahnherstellers sorgt für heftige Reaktionen in Frankreich
Der Schienenfahrzeughersteller Alstom hat vor wenigen Tagen die Schließung seines Werks im ostfranzösischen Belfort bekanntgegeben. Die Aktivitäten und auch der Konzernsitz sollen von Belfort ins elsässische Reichshoffen verlegt werden und damit auch der Großteil der heute noch knapp 500 Beschäftigten. Wer nicht umziehen will, soll mit Abfindungen in den Vorruhestand gehen oder umgeschult werden. In Belfort werden seit 1881 Lokomotiven gebaut, noch Anfang der 1990er Jahre zählte der Standort 1400 Mitarbeiter.
Die Entscheidung hat in Frankreich eine Welle der Empörung ausgelöst. Die erfasst nicht nur die Beschäftigten und die örtliche Bevölkerung, sondern acht Monate vor der nächsten Präsidentschaftswahl auch die Medien und die Regierung. Für Montag beraumte Präsident François Hollande eine Krisensitzung im Elysée an. Die Botschaft: Die Schließung soll vermieden werden, indem die Regierung versucht, Aufträge zu mobilisieren. Die Gewerkschaft CGT und die Kommunistische Partei fordern die Nationalisierung von Alstom.
Unter dem Eindruck der harschen Reaktionen sagte Konzernchef Henri Poupart-Lafarge, der Hollande ab Dienstag auf einem Staatsbesuch nach Vietnam begleiten sollte, seine Teilnahme ab. Der frühere sozialistische Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, der 2014 wegen seiner kritischen Haltung zur Politik vom Präsidenten abgelöst worden war, verweist darauf, dass der Staat zu 20 Prozent Teilhaber bei Alstom und alleiniger Aktionär beim Bahnunternehmen SNCF ist. »Es gebietet das Minimum an ökonomischem Patriotismus, das im eigenen Land gebrauchte rollende Material auch hier produzieren zu lassen und so industrielle Kapazitäten und Arbeitsplätze zu sichern«, sagte Montebourg, der als Minister massiv das »Made in France« propagiert und gefördert hatte. Seinem Amtsnachfolger Emmanuel Macron, kürzlich ebenfalls zurückgetreten, wirft der rechte Spitzenkandidat Nicolas Sarkozy vor, im Mai 2015 bei einem Besuch in Belfort die besorgten Beschäftigten von Alstom »besseren Wissens beruhigt und somit belogen« zu haben. Das will Macron nicht auf sich sitzen lassen: »Was der Konzern jetzt ankündigt, war so nicht abgesprochen«, erklärte er, räumte jedoch ein, dass es bei den Gesprächen mit der Konzernführung seinerzeit nur darum ging, Entlassungen zu vermeiden und für jeden Beschäftigten einen Ersatzarbeitsplatz zu finden.
Konzernchef Henri Poupart-Lafarge verteidigt sich: »Der Staat kennt seit drei Jahren die prekäre Lage von Alstom aufgrund der rückläufigen öffentlichen Aufträge.« In Frankreich, wo der Konzern 9000 Mitarbeiter zählt, ist aufgrund der vorliegenden Aufträge bis 2018 ein Geschäftsrückgang um 30 Prozent absehbar. Der jüngste Schlag war vor Wochen der Verlust eines Vertrags über den Bau von 44 Rangierloks im Wert von 144 Millionen Euro für das Leasingunternehmen Akiem, eine gemeinsame Filiale der SNCF und der Fondsgesellschaft DWS der Deutschen Bank, der an die deutschen Vossloh-Werke ging.
Doch die Auftragsflaute betrifft nur Europa. In den USA hat Alstom erst kürzlich einen Vertrag über die Lieferung von 28 Hochgeschwindigkeitszügen für die 750 Kilometer lange Strecke Washington-New York-Boston im Wert von 1,8 Milliarden Euro geschlossen. Allerdings werden diese Züge im Alstom-Werk Hornell im US-Bundesstaat New York gebaut.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.