Seit mehreren Jahren wird die grönländische Autonomieregierung national und international für die festgelegten Jagdquoten kritisiert. Im Mittelpunkt des Protestes stehen die Abschussquoten für Eisbären, Narwale, Weißwale und Walrosse, die nach Ansicht von Biologen sowie von Tierschutzorganisationen zu hoch sind.
Grönlands Regierung hat unlängst beschlossen, die Narwal-Fangquote um 100 Tiere auf 385 jährlich zu erhöhen. Dies hat erneut internationale Proteste hervorgerufen. Finn Karlsen, Minister für Fischerei und Jagd, begründete die Quotenerhöhung damit, dass »es eine große Anzahl Narwale besonders in Westgrönland gibt; und die Jäger wissen am besten, wie viele gejagt werden können«.
Eine Quote von 385 Tieren jährlich mag gering erscheinen. Allerdings schätzen Biologen den Gesamtbestand auf lediglich 3000 bis 8000 Tiere. Und die Weibchen haben eine wenigstens dreijährige Pause zwischen den Geburten. Zudem macht den Walen die um mehrere Grad gestiegene Meerestemperatur zu schaffen. Vor diesem Hintergrund haben das grönländische Naturinstitut und die nordatlantische Walfangorganisation NAMMCO, die Walfang nicht feindlich gegenübersteht, eine jährliche Abschussquote von höchstens 135 Narwalen empfohlen. Auch die kanadisch-grönländische Kommission zur Verwaltung der Bestände in den gemeinsamen Fahrwassern empfiehlt diese Quote. Im Sommer dieses Jahres stimmten die grönländischen Politiker auf der jährlichen Tagung der Washingtoner Artenschutzkommission immerhin einem Exportstopp für Narwalprodukte zu. Die wertvollen Schnitzereien gelten als ein Symbol der traditionellen Kultur der Inuit. Allein das Rohmaterial, die seltsam gedrehten Zähne, die im Mittelalter als angebliches Horn der sagenhaften Einhörner gehandelt wurden, kosten 600 Euro pro Meter. Touristen konnten bisher ohne weiteres Narwalschnitzereien kaufen und erhielten eine sogenannte CITES-Bescheinigung, die den legalen Erwerb und Ausfuhr bestätigt.
Um drohenden Sanktionen zu entgehen, stimmte Grönland dem Handelsstopp zu. Doch der Druck des Jägerverbandes und der Bürgermeister der nördlichen Kommunen hat diese erzwungene Einsicht wieder zunichte gemacht. Diese hatten sich über unzumutbare Einkommensverluste der Jäger-Familien durch die unzureichenden Fangquoten beklagt. So zutreffend dies sein mag, mit überhöhten Quoten werden die Jäger diese Einkommensquelle irgendwann ganz einbüßen.
In Grönland leben einige hundert Personen ausschließlich von der Jagd. Die Regierung der zu Dänemark gehörenden autonomen Insel bezahlt seit vielen Jahren subventionierte Aufkaufpreise beispielsweise für Robbenfelle. Der Grund dafür sowie für den erfolgreichen Druck der Jäger zur Erhöhung der Jagdquoten liegt jedoch weniger in ihrer Zahl, als darin, dass sich die grönländische Bevölkerung als ursprüngliches Naturvolk versteht. Die Identität und der Stolz vieler Grönländer, die gerne als Freizeitjäger aktiv sind, ist eng mit diesen Jagdtraditionen verbunden. Rücksicht auf Naturschutzbelange oder Empfehlungen von Biologen, die oft von außerhalb dieser Gemeinschaft kommen, wiegen daher weniger schwer als anderswo.
Ob Naturschutzorganisationen zu einem Boykott grönländischer Produkte aufrufen werden, ist noch ungewiss. Welche Folgen solche Sanktionen haben könnten, zeigt deutlich die Kampagne in den 80er und 90er Jahren gegen Pelze und Pelztierjagd, die Tausenden von Jägerfamilien in Alaska, Kanada, Grönland und Russland die Existenzgrundlage entzog. Dänemark hat die Verwaltung der Naturressourcen an die Autonomieregierung übertragen. Grönländische Rücksichten haben auch dazu geführt, dass Dänemark 2006 für die begrenzte kommerzielle Waljagd stimmte, zu der sich Island wieder entschlossen hat.