TTIP-Stop-Ablehnung vor Gericht
Durfte Brüssel die Registrierung der Bürgerinitiative verweigern? Urteil in einigen Monaten
Luxemburg. Die Zulassung einer EU-weiten Bürgerinitiative gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP mit den USA bleibt nach dem Aufeinandertreffen von Gegnern und Befürwortern vor dem EU-Gericht am Dienstag in Luxemburg weiter ungewiss. Die Richter werden voraussichtlich erst in einigen Monaten entscheiden, ob sie einer Klage der TTIP-Gegner gegen die EU-Kommission stattgeben. Brüssel hatte im Jahr 2014 der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) »Stop TTIP« die offizielle Registrierung verweigert.
Die etwa 90-minütige mündliche Verhandlung vor dem EU-Gericht drehte sich vor allem um die Frage, ob eine EBI, die die laufenden Verhandlungen mit den USA stoppen will, zulässig sei. »Es geht um die Entscheidung, wie weit die Europäische Bürgerinitiative reicht. Ob es zutrifft, dass Bürger ihr politisches Votum abgeben dürfen oder ob es weite Bereiche gibt, in denen sie nichts zu melden haben«, sagte der Vertreter der Kläger, der Völkerrechtler Bernhard Kempen von der Universität Köln.
Der Anwalt der EU-Kommission, Hannes Krämer, warnte hingegen vor der Zulassung »destruktiver Bürgerinitiativen«. Ziel der 2011 beschlossenen Einführung der EBI sei es gewesen, »den Anstoß zu einem Anstoß« zu ermöglichen. Sobald wie bei TTIP der »Rechtssetzungsprozess« einmal begonnen habe, liege er »in den Händen der politischen Organe« und könne nicht durch eine Bürgerinitiative gestoppt werden. Eine offiziell registrierte EBI mit mindestens einer Million Unterschriften aus wenigstens 7 der 28 EU-Länder kann die Kommission auffordern, einen Rechtsakt vorzuschlagen. Brüssel muss dieser Aufforderung aber nicht nachkommen.
Brüssel argumentierte, eine Bürgerinitiative müsse laut EU-Recht die Kommission auffordern, »geeignete Vorschläge« zu unterbreiten, um die EU-Verträge umzusetzen. Tatsächlich wolle »Stop TTIP« aber, dass die Kommission das Handelsabkommen mit Kanada, CETA, nicht abschließe und sie den Ministerrat auffordere, ihr das Verhandlungsmandat für TTIP zu entziehen. Die Aufforderung, etwas nicht zu tun, sei kein »geeigneter Vorschlag«. Zudem habe das Verhandlungsmandat des Rates für die Kommission nur einen »vorbereitenden Charakter«. Es betreffe lediglich die beiden Institutionen und könne daher nicht Gegenstand einer Bürgerinitiative sein könne.
Kempen widersprach heftig: »Sie entscheiden darüber, ob das Europa der Bürgerinnen und Bürger nur ein leeres Versprechen ist oder ob es die politische und rechtliche Realität der Europäischen Union ist.« Es sei überhaupt nicht einzusehen, »warum die Bürger nicht in einem schon begonnenen Prozess intervenieren sollten«.
»Wenn die Rechtsauffassung der Kommission Bestand hat, heißt das im Klartext: Der Bevölkerung sind bei der Entwicklung internationaler Verträgen jeder Art die Hände gebunden. Internationale Verhandlungen der Kommission dürfen durch Bürgerinnen und Bürger nur bejubelt, nicht aber kritisiert werden«, sagte Michael Efler vom Bündnis »Stop TTIP«. Dieses hatte nach der Ablehnung durch die Kommission die Sammlung selbst organisiert und mit über 500 Partnerorganisationen knapp 3,3 Millionen Unterschriften gesammelt - mehr als jede offizielle EBI zuvor.
Die USA und die EU verhandeln seit Juni 2013 über das Investitions- und Handelsabkommen. Die Gegner in der EU warnen vor einer Absenkung europäischer Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards. nd/dpa
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