Missstimmig
Uwe Kalbe zur angeblichen EU-Außenseiterrolle Ungarns
Es gemahnt an die Stimmung kurz vor einer Kneipenschlägerei, wenn der ungarische Außenminister seinen luxemburgischen Kollegen Asselborn als unernste Figur tituliert. Diese Form von Vertraulichkeit wirkt zwar auf bizarre Art familiär, für einen vertrauenerweckenden Zustand der EU spricht sie nicht. Asselborn fordert seinerseits gar den Ausschluss Ungarns aus der EU und die hierfür nötige Regeländerung, die Beendigung des Einstimmigkeitsprinzips.
Mancher mag ihm dankbar sein für die impulsive Reaktion auf den Umgang Budapests mit den Flüchtlingen, den man wie der Luxemburger als Bruch internationaler Konventionen und EU-Rechtsnormen verstehen kann. Und doch: Ernst zu nehmen ist Asselborns Vorschlag nicht. Schon, weil das Einstimmigkeitsprinzip seine Abschaffung verhindert. Doch Ungarns Grenzschließung ist überdies Vollzug eines höheren EU-Willens. Eine Kaskade von Ländern hat entlang der Balkanroute die europäische Contenance verloren; kaum eine Handvoll EU-Staaten ist zur Aufnahme von Flüchtlingskontingenten bereit; alle Mitglieder arbeiten gemeinsam an der Abriegelung der Grenzen, der Außengrenzen.
Würden unbotmäßige Länder künftig gefeuert, bliebe die alte, reformunfähige EU - in Siegerpose. Die EU, die Rechte nicht nur von Flüchtlingen, sondern auch eigener Bevölkerungen geringschätzt, indem sie Regierungen auf Sparkurs zwingt. Und in der das Einstimmigkeitsprinzip als letzte Sicherung immer dann infrage gestellt wird, wenn ein Disziplinierungswerkzeug fehlt.
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