Eine Frage der Demokratie
Freihandel? Bei TTIP und CETA geht es um die Verteidigung des Öffentlichen gegenüber kapitaler Macht, meint Tom Strohschneider
Nein, es geht hier nicht um Chlorhühnchen. Auch nicht um Sigmar Gabriel. Es geht nicht um angebliche Gefahren für Wachstum und Wohlstand. Und wer in den Chor einstimmt, der das Böse immer hinter dem großen Teich lauern sieht, liegt so falsch wie diejenigen, die die Kritiker der umstrittenen Abkommen TTIP und CETA, die am Samstag in sieben Städten auf die Straße gehen wollen, als »Ideologen« brandmarken.
Es geht um uns, den demokratischen Souverän. Seit Monaten läuft der Streit um die beiden Abkommen. Sie sind eine Reaktion auf die Krise des internationalen Handelssystems. In der Organisation WTO blockieren sich die Kontrahenten seit Jahren gegenseitig, die Länder des Nordens setzen inzwischen auf andere Deals und haben damit längst ein neues Regime der globalen kapitalistischen Beziehungen errichtet. Es geht um Kontrolle und Vormacht.
Einerseits. Andererseits sagen selbst Experten, die linker Globalisierungskritik unverdächtig sind, dass ein Scheitern von TTIP und CETA keine großen Auswirkungen haben würde – oder umgekehrt, dass die Abkommen selbst kurzfristig kaum spürbare Vorteile für den seit einigen Jahren schwächelnden Welthandel hätten, geschweige denn für das, was in diesem Land gern »unsere Wirtschaft« genannt wird. Und hier liegt auch der entscheidende Punkt: Es geht um das Verhältnis von privatkapitalistischer und öffentlicher Macht, von Markt und Demokratie.
Ein Lobbyist des deutschen Maschinenbaus hat die Frontlinie gezogen, als er erklärte, der Wirtschaftsminister stehe »in der Pflicht, sich ohne Wenn und Aber für den Freihandel einzusetzen«. Ist das so? Warum? Wer hat das so entschieden? Zumal: Weder TTIP noch CETA sind klassische Abkommen über Handelsbeziehungen – sie gehen viel weiter. Und sie werfen eine entscheidende Frage auf: Soll Politik noch im Sinne der Allgemeinheit möglich sein, also eine demokratische Angelegenheit bleiben? Oder bestimmen diejenigen, ob und welche Spielräume noch zur Regulierung, zur Steuerung, zum Wandel genutzt werden können, die das Öffentliche allenfalls als Garanten ihres ökonomischen Tuns ansehen?
Wenn die Lautsprecher des Kapitals die Kritiker der Abkommen zu »Vereinfachern und Angstmachern« erklären, halten sie sich nur selbst den Spiegel vor. Ja, die Anti-TTIP-Bewegung wirft auch einige Fragen auf: Ist nicht auch hier manches arg vereinfacht worden? Stellt das vielstimmige Nein zu den Abkommen nicht auch andere Themen in den Schatten, wo es noch mehr um klassenpolitische Fragen ginge, wo nicht nur die gut Gebildeten und ganz gut Verdienenden auf die Straße gehen, sondern ebenso die, die gar nicht die materielle Wahl hätten, sich gegen ein Chlorhühnchen zu entscheiden?
Der schon jetzt sichtbare Erfolg der Kampagne verschwindet nicht, wenn man auch darauf Antworten suchen würde. Und der Erfolg ist wichtig: Res privata oder Res publica, das ist die Frage, um die es jetzt geht. Und da die Regierung hier nicht in ihrem eigenen Interesse zu handeln imstande ist, muss es eben der Souverän selber tun – auf der Straße.
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