Keine Leute - damals wie heute

Handwerkskammer Potsdam vor 70 Jahren auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) gegründet

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Während die Handwerker in den Jahren nach der Wende den Aufträgen »hinterher rennen« mussten, können sie sich heute davor kaum noch retten, sagte Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) bei der Feierstunde dieser Tage. Inzwischen würden händeringend Fachkräfte gesucht, welche diese Auftragsflut abarbeiten können.

Am Wochenende hatte die Kammer zu einer Leistungsschau des Handwerks im 70. Jahr ihres Bestehens auf den Luisenplatz in der Landeshauptstadt eingeladen. Nach ihren Angaben ist das Handwerk in Brandenburg mit 40 000 Betrieben, in denen 160 000 Menschen arbeiten, ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Er biete 130 Ausbildungsberufe an.

Die Bildung der Handwerkskammer Potsdam für die damalige Provinz Brandenburg hatte die Sowjetische Militäradministration (SMAD) im Mai 1946 angeordnet. Laut Minister Gerber mit dem Ziel, das Handwerk »unter die Fuchtel der SED-Bezirksverwaltung« zu stellen. Die SED selbst ist erst wenige Tage zuvor gegründet worden, Bezirke gab es erst nach der Gründung der DDR.

War es zu DDR-Zeiten nicht ganz einfach, die Genehmigung zum Führen eines Handwerksbetriebes zu bekommen, so besteht heute das Problem, dass viele Betriebe keinen Nachfolger finden. »Es sind zu wenige Kinder da«, die diese Nachfolge antreten könnten, so der Minister. Inzwischen stünden jährlich rund 1000 Betriebsübergaben an. Die Ursache dafür liegt zum einen im extremen Geburtenrückgang nach der Wende, zum anderen auch in der schlagartigen Zunahme der Handwerksbetriebe ab 1990. In Westbrandenburg, dem damaligen Bezirk Potsdam, verdoppelt sich deren Zahl binnen weniger Monate auf rund 9500.

Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Potsdam, Ralph Bührig, äußerte sich kenntnisreicher und nachdenklicher zur Frage, warum die Besatzungsmacht 1946, das heißt zu einem sehr frühen Zeitpunkt, »sich des Kammerwesens angenommen hatte«. Während der Nazizeit habe sich das Handwerk »zu wenig widersetzt«, stellte er fest. Wie die gesamte Besatzungszone habe auch das Handwerk schwer an den Folgen zu tragen gehabt, es habe Zerstörungen gegeben, Reparationsforderungen mussten erfüllt und die Besatzungstruppen versorgt werden. Größere Betriebe seien rasch in Staatseigentum überführt worden, was die Unsicherheit auch unter den Handwerkern verstärkt habe. »Viele misstrauten den sowjetischen Machthabern und gingen in den Westen.«

Dies sei eine Zeit akuter Not gewesen, in der die staatliche und wirtschaftliche Ordnung zerfallen waren. Auch mit dem Befehl, die Kammer zu gründen, habe man das Ziel verfolgt, Versorgung und Wiederaufbau zu gewährleisten. Nicht zuletzt sollten die Handwerker »im antifaschistisch-demokratischen Geist erzogen« werden. Um eine Handwerker-Selbstverwaltung sei es nicht gegangen, die Innungen seien zu »Berufsgruppen degradiert« worden. Später, in der DDR, habe ein wesentliches Ziel der Wirtschaftspolitik darin bestanden, die Handwerker in Produktionsgenossenschaften zusammenzuschließen, die sich der Erfüllung vorgegebener Pläne zu widmen hatten.

War die Kammer in der Gründungsphase noch für die gesamte Mark Brandenburg zuständig, so bekamen die ab 1952 bestehenden DDR-Bezirke Frankfurt (Oder) und Cottbus ihre eigenen Kammern. Obwohl das Land Brandenburg inzwischen neu gegründet wurde, bildet die heutige Struktur sowohl der Handwerkskammern als auch der Industrie- und Handelskammern die DDR-Bezirke noch ab. Hinter vorgehaltener Hand werden inzwischen auch schon Überlegungen geäußert, zu den Wurzeln von 1946 zurückzukehren, das heißt, eine Kammer für das gesamte Bundesland zu bilden.

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