Attac: SPD-Konvent verleugnet rote Linien bei CETA
SPD-Konvent stimmt Antrag des Vorstandes zum Freihandelsabkommen zu / Parteispitze geht winzige Schritte auf ihre Kritiker zu / Giegold (Grüne): Parteilinke sollen mit »prozeduralen Änderungen« ruhiggestellt werden
Update 19.20 Uhr: »Die SPD verleugnet die von ihr selbst gezogenen roten Linien«
Für die Zustimmung des SPD-Konvents zum CETA-Antrag der Parteispitze hagelt es weiterhin heftige Kritik. »Die SPD verleugnet die von ihr selbst gezogenen roten Linien«, warnt das globalisierungskritische Netzwerk Attac. Mit dieser Entscheidung stimme »die SPD einer weiteren Machtausweitung der großen Konzerne zu« und beschneide gesellschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten, warnte Attac-Handelsexperte Roland Süß. Die von SPD-Chef Sigmar Gabriel versprochenen Zusatzerklärungen würden nichts am Geist des Abkommens ändern.
Update 19.00 Uhr: Parteilinker Miersch fordert von CETA-Skeptikern Einstieg in den Diskurs
Nach der Zustimmung des SPD-Parteikonvents zum CETA-Abkommen hat der Parteilinke Matthias Miersch Skeptiker aufgefordert, sich am Diskurs über das Handelsabkommen zu beteiligen. Der ausgehandelte Kompromiss sehe vor, dass es vor der vorläufigen Anwendung von Teilen des CETA-Abkommens einen »ausführlichen Anhörungsprozess« zwischen dem Europäischen Parlament, den nationalen Parlamenten und gesellschaftlichen Gruppen gebe. »Alle, die sich in den letzten Wochen artikuliert haben, können nun in diesen Diskurs einsteigen«, sagte Miersch mit Blick auf die Proteste, die es zuletzt gegen das Abkommen gegeben hatte.
Der SPD-Politiker äußerte sich zufrieden mit dem Ergebnis des Konvents. »Die Debatte war sehr, sehr sachlich. Ich bin stolz auf diese Partei.« Die SPD habe sehr mit sich gerungen und schließlich den Kompromiss akzeptiert. »Das ist mehr Demokratie wagen in Europa«, sagte Miersch. Man habe die Bedingungen verschärft, die für die Sozialdemokraten für ein Ja zu CETA gelten.
Update 18.10 Uhr: BUND kritisiert Votum des SPD-Treffens
Mit Enttäuschung reagiert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auf die Entscheidung des SPD-Konvents zugunsten des umstrittenen CETA-Abkommens: Damit habe sich eine Mehrheit der Delegierten über den Protest Hunderttausender Kritiker und die ablehnende Haltung großer Teile der SPD-Basis hinweggesetzt, kritisierte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. »Gabriel hat es geschafft, den Konvent mit Versprechungen und Vertröstungen über eventuelle Ceta-Nachbesserungen auf seine Seite zu ziehen. Große Teile der SPD und ihrer Wähler sehen die Freihandelsabkommen kritisch. Hunderttausende demonstrieren gegen Ceta und TTIP und die SPD schafft es nicht, über ihren Schatten zu springen und sich von Ceta zu verabschieden«, sagte Weiger.
Update 17.45 Uhr: Konvent stimmt für CETA
Der SPD-Konvent hat vor wenigen Minuten den Antrag des Parteivorstands mit Mehrheit beschlossen. Genaue Zahlen zum Ergebnis gibt es nicht, da auf eine Auszählung verzichtet wurde. Aus Kreisen der Delegierten hieß es aber, der Beschluss sei mit Zweidrittelmehrheit gefallen. Vorausgegangen war der Entscheidung eine teilweise heftige Debatte zum umstrittenen Freihandelsabkommen mit Kanada. So hatten Vertreter der SPD-Jugendorganisation Jusos einen weiteren Konvent beantragt, waren mit ihrem Ansinnen allerdings klar gescheitert.
Update 16.40 Uhr: Parteispitze geht winzige Schritte auf Kritiker zu
Die Parteispitze bemühte sich nun mit der Kompromisslinie, auf die Kritiker zuzugehen - und nahm dazu einige Änderungen in ihren Leitantrag auf. Die vorläufige Anwendung des Abkommens war ein wesentlicher Grund für den Widerstand gegen Ceta gewesen. In dem »Anhörungsprozess« vor einer Abstimmung im Europäischen Parlament soll - laut der neuen Linie - geklärt werden, welche Teile des Ceta-Vertrages in nationale und welche in europäische Zuständigkeit fallen. Bis zum Ende der Beratungen soll das Abkommen vorläufig nicht umgesetzt werden.
In dem Änderungsantrag für den Konvent, der der dpa vorliegt, sind außerdem einige Leitplanken für die SPD konkreter formuliert. Unter anderem heißt es darin: »Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z.B. 'faire und gerechte Behandlung' und 'indirekte Enteignung' sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfinden.«
Rechtsverbindlich festgeschrieben werden sollen zudem das in der EU geltende Vorsorgeprinzip und ein Sanktionsmechanismus bei Verstößen der Vertragspartner gegen Arbeits-, Sozial und Umweltstandards. Gremien, die durch Ceta gebildet werden, sollen zudem zunächst nur beratende Funktionen haben. Rechte von Parlamenten und Regierungen dürften durch sie nicht eingeschränkt werden. Außerdem dürften »bestehende und künftig entstehende Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge« nicht vom Ceta-Abkommen erfasst werden.
Ob sich die Delegierten davon überzeugen lassen, ist offen. Gabriel braucht beim Konvent eine Mehrheit für seinen Kurs als »Mandat« für das weitere Prozedere auf EU-Ebene. Sollten sich die Delegierten mehrheitlich gegen seine Linie stellen, ist Gabriels politische Zukunft ungewiss.
Der Grünen-Politiker Sven Giegold hatte die Änderunganträge ebenfalls öffentlich gemacht. Via Twitter erklärte er, der SPD-Vorstand wolle die CETA-Kritiker mit »prozeduralen Änderungen ruhigstellen«.
Update 14.45 Uhr: Gemeinsame Erklärung von Gabriel und kanadischer Handelsministerin
Kurz vor Beginn des SPD-Konvents melden sich Sigmar Gabriel und die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland gemeinsam zu Wort. »Wir sind überzeugt davon, dass CETA zu einer Verbesserung des freien und fairen Handels zwischen der EU und Kanada führen wird«, schreiben die beiden Minister in einer Erklärung, die am Montagmittag veröffentlicht wurde. Durch CETA würden Handelshemmnisse abgebaut und gleichzeitig wird ein hohes Schutzniveau für Verbraucher, Arbeitnehmer und die Umwelt garantiert.
Bezüglich strittiger Themen unterstützen Gabriel und Freeland die Vorschläge des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und des Canadian Labour Congress (CLC) vorgelegten Vorschläge, »die für uns einen wichtigen Beitrag zur Präzisierung, insbesondere bei den Themen Investitionsschutz, Arbeitnehmerrechte, öffentliche Daseinsvorsoge sowie öffentliches Beschaffungswesen und Vorsorgeprinzip darstellen«, wie es in der Erklärung heißt. »Wir unterstützen die Bemühungen der kanadischen Regierung und der Europäischen Kommission, noch vor der Entscheidung des Europäischen Rates zu CETA und vor der Unterzeichnung des Abkommens am 27./28. Oktober sowie vor dem Beginn der parlamentarischen Ratifizierungsphase eine Einigung auf weitere Klarstellungen zu diesen wichtigen Bereichen zu erzielen«, so Gabriel und Freeland zum weiteren Fahrplan.
Update 14.35 Uhr: SPD-Vorstand stimmt »Anhörungsprozess« vor Ceta-Abstimmungen zu
Kurz vor Beginn des Parteikonvents in Wolfsburg stimmte der SPD-Vorstand Vorschlägen zu, die Parteichef Sigmar Gabriel mit der Parteilinken ausgehandelt hatte. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen. Vor einer vorläufigen Anwendung des Ceta-Abkommens soll es demnach einen »ausführlichen Anhörungsprozess« zwischen dem Europäischen Parlament, den nationalen Parlamenten und gesellschaftlichen Gruppen geben. In dem Anhörungsprozess vor einer Abstimmung im Europäischen Parlament soll demnach geklärt werden, welche Teile des Ceta-Vertrages in nationale und welche in europäische Zuständigkeit fallen. Bis zum Ende der Beratungen soll das Abkommen vorläufig nicht umgesetzt werden.
Update 14.25 Uhr: Proteste begleiten SPD-Parteikonvent
Vor dem SPD-Parteikonvent in Wolfsburg haben erneut einige hundert Demonstranten gegen Ceta protestiert. »Ceta stoppen« und »Besser kein Abkommen als ein Schlechtes«, skandierten Aktivisten von Umweltverbänden, Linkspartei, Gewerkschaften und den Netzwerken Attac und Campact.
CETA: Parteilinke sieht »Mordsdruck« vor SPD-Konvent
Berlin. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat am frühen Montagmorgen in Wolfsburg gegen das Freihandelsabkommen CETA protestiert. Die Umweltschützer projizierten vor dem SPD-Parteikonvent mit einem Himmelsscheinwerfer einen roten Strahl vor dem Wolfsburger Congresspark in die Luft, wie die Organisation mitteilte. Dieser symbolisiere die Mindeststandards, die die Partei sich selbst gesetzt habe. »Die SPD soll ihre roten Linien auch einhalten. Daran wollen wir sie erinnern«, sagte Greenpeace-Aktivist Matthias Flieder der Deutschen Presse-Agentur am Montag. »Wir fordern die SPD auf, CETA konsequent abzulehnen.«
Die Sozialdemokraten entscheiden am Montag auf einem Parteitag in Wolfsburg, ob sie das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada mittragen. Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich für den Vertrag stark gemacht. Vom linken Flügel der SPD bekommt er dafür heftige Kritik.
Die SPD-Linke Hilde Mattheis hat vor dem Parteikonvent zum umstrittenen Freihandelsabkommen CETA davor gewarnt, das Votum als Abstimmung über SPD-Chef Sigmar Gabriel zu werten. In der ARD sagte die stellvertretende Vorsitzende der parlamentarischen Linken in der SPD, dadurch entstehe ein »Mordsdruck« auf die Delegierten. Sie sollten sich lieber die Argumente zum Abkommen zwischen der EU und Kanada anhören und dann entscheiden. Im Gegensatz zu Wirtschaftsminister Gabriel haben SPD-Linke, Jusos und mehrere Landesverbänden große Vorbehalte gegen die vorliegende Fassung des Abkommens.
Vor dem Parteikonvent hat SPD-Generalsekretärin Katarina Barley um Zustimmung geworben. »Mit der kanadischen Regierung unter Premierminister Trudeau haben wir einen fortschrittlichen Verhandlungspartner, der die gleichen Ziele hat wie wir«, sagte Barley der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Gemeinsam können wir aus einem guten Abkommen ein noch besseres machen.« Die Globalisierung brauche klare Regeln. » CETA kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.« Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel hat seine Partei aufgerufen, sich bei ihrer Entscheidung über das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada nicht von den Demonstrationen der Kritiker beeinflussen zu lassen. Zwar spielten die Proteste Zehntausender gegen das Abkommen eine Rolle in der Debatte, sagte Schäfer-Gümbel der in Düsseldorf erscheinenden »Rheinischen Post«. »Aber abhängig sollten wir uns davon nicht machen.«
Die SPD-Spitze plädiert dafür, im parlamentarischen Verfahren noch Nachbesserungen zu erreichen - durch Vereinbarungen zusätzlich zum CETA-Vertrag. »Wir haben klare Forderungen formuliert, die wir umsetzen wollen«, sagte Barley. »Das wollen wir durch rechtlich verbindliche Klarstellungen zum bestehenden Vertragstext erreichen.« Gabriel war vor wenigen Tagen nach Kanada gereist und hatte von der dortigen Regierung das Signal mitgebracht, dass eine Zusatzerklärung mit Klarstellungen möglich sei. Die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland wird selbst auf dem Konvent in Wolfsburg erwartet.
Im linken Flügel der Partei bleibt Skepsis. Mattheis wertete die Aussicht auf Nachbesserungen als unrealistisch. »Das wäre doch paradox, jetzt zuzustimmen, aber genau zu wissen, dass es keine Chance für Verbesserungen in Nachverhandlungen gibt«, sagte sie der »Südwest Presse«. Sie sehe »eine realistische Chance, dass der Konvent Nein zu CETA sagt, der Druck von der Parteibasis ist enorm«.
Am Samstag waren Zehntausende Gegner der geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, TTIP und CETA, auf die Straße gegangen. Die gesellschaftliche Debatte habe längst Einfluss auf den CETA-Vertrag genommen, sagte Schäfer-Gümbel. So seien SPD-Positionen zum Investorenschutz und zu den Arbeitsbedingungen durchgesetzt worden.
Die Abkommen CETA und TTIP sollen Handels- und Investitionshemmnisse abbauen. Die Gegner befürchten eine Absenkung von Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz sowie im Pflege-, Gesundheits- und Bildungssektor. CETA ist bereits ausverhandelt und soll nach den bisherigen Plänen im Oktober von der EU und Kanada unterzeichnet werden. Agenturen/nd
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