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Gabriels Gegner

Tom Strohschneider über das CETA-Ja der SPD, mediale Lobhudelei und die ach so herkulische Leistung des Vorsitzenden

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 2 Min.

Sigmar Gabriel Superstar – so klingen jetzt viele Kommentare über den Ausgang des CETA-Konvents der Sozialdemokraten. Was der SPD-Vorsitzende da für eine große Hürde auf dem Weg zur Spitzenkandidatur 2017 aus dem Weg geräumt habe. Wie er die in Wolfsburg versammelten Funktionäre »hinter sich« gebracht habe. Wie er praktisch die SPD gerettet habe – vor was eigentlich? Egal: Von einem »Ritterschlag« ist nun die Rede, von einer »herkulischen Leistung«. Sogar die alten Griechen müssen also für die mediale Lobhudelei herhalten.

Was aber wäre, um in diesem Bild zu bleiben, dann die Sozialdemokratie? Die Rinderherde des Riesen Geryon? Der Stall des Augias? Nein, denn Gabriel hat es sich mitnichten mit den wirklich Stärkeren angelegt. Und sein zweifelsohne parteitaktischer Erfolg von Wolfsburg ist keiner, der einem mächtigen Gegner abgerungen werden musste. Dass die SPD nun noch ein paar Nachbesserungen bei CETA einfordert, mag einige Konventsteilnehmer überzeugt haben. Aber wird es so auch bei den Wählern wirken?

Der springende Punkt an CETA ist nicht der Freihandel, gegen den in Zeiten eines globalisierten Kapitalismus so viel oder so wenig spricht, wie gegen die Kaufhalle um die Ecke. Der springende Punkt ist, dass weit über den Rahmen einer Vereinbarung zum Abbau von Handelsschranken in die politische Architektur eingegriffen wird – und zwar zu Gunsten des Kapitals, zu Ungunsten des Spielraumes, den kommende Regierungen zur Gestaltung und zum Wandel nutzen könnten. Kurzum: zu Lasten der Demokratie.

Wer Durchsetzungsstärke zum Maßstab macht, muss erkennen: Gabriel hat zwar eine schwächelnde SPD aufs Kreuz gelegt, dies aber, weil er das Nein zu einem Vertrag scheut, der den herrschenden, also mächtigen Interessen folgt, nicht aber denen der Mehrheit. Durchsetzungsstärke? Die Sozialdemokraten sind von medialer Konfliktlogik à la »Der Vorsitzende wird von einem Nein beschädigt« und der teils offenen Diffamierung verunsichert worden, wer gegen CETA ist, sei praktisch genauso rechts wie Donald Trump. Und sie wurden mit Nachbesserungen gelockt, die wenn sie überhaupt noch vertragssicher durchgebracht werden können, an der Substanz des Abkommens nichts ändern werden.

Und das soll eine »herkulische Leistung« Gabriels sein? Der Held der griechischen Mythologie hatte Aufgaben zu meistern, die eigentlich unmöglich zu vollbringen waren. Auch von einem Sozialdemokraten darf nichts Geringeres verlangt werden: Unter den herrschenden Verhältnissen sich mit den wirklich Mächtigen anzulegen. Gabriel hatte die Wahl, er hat sich einen anderen Gegner ausgesucht.

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