Kein Räumungsaufschub für linken Ladenbesitzer
Hans-Georg Lindenau muss »Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf« bis Donnerstag verlassen
Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg sieht »keine akute Suizidgefahr« bei dem Ladenbesitzer Hans-Georg Lindenau, genannt HG. Einen Räumungsaufschub will das Gericht daher nicht gewähren, teilte es am Dienstag mit. Lindenau, der seit rund 30 Jahren den »Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf« in der Manteuffelstraße 99 in Kreuzberg betreibt, war aufgefordert, noch am Dienstag sein Ladengeschäft dem Hauseigentümer zu übergeben, tut er dies nicht, soll er am Donnerstag zwangsgeräumt werden. Nachbarschaftsinitiativen sowie die Gruppe »Zwangsräumung verhindern« haben Proteste für den Tag angekündigt.
In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der auf einen Rollstuhl angewiesene Lindenau ab Mai 2017 einen Mietvertrag für einen neuen Laden für seine Demo-Utensilien, Antifa-Sticker und linke Szene-Zeitschriften unterschrieben hat. Eigentümerin ist die Stiftung Umverteilen. Da die aktuelle Untervermietung bis Ende April 2017 befristet ist, kann Lindenau nicht schon früher einziehen.
Lindenaus Anwalt hatte versucht, einen Räumungsaufschub bis Mai kommenden Jahres zu erwirken. Er gab gegenüber dem Amtsgericht mehrere Gutachten an, die auf eine Suizidgefahr im Falle einer Zwangsräumung hinwiesen. Das Amtsgericht deutete die Suizidgefahr allerdings als Altlast, die nichts mit der drohenden Räumung zu tun habe. Darüber hinaus erklärte das Gericht, Lindenau wohne ohne gültigen Wohnmietvertrag in seinem Ladenlokal. »Die Räume dienen nicht Wohnzwecken und unterliegen daher nicht dem besonderen Schutz für Wohnräume«, heißt es in der Begründung des Gerichts.
In einem offenen Brief appellierten prominente Politiker an den Eigentümer, die Räumung bis Mai auszusetzen. In dem Schreiben mit Datum vom 15. September erklärten die Bundestagsabgeordneten Cansel Kiziltepe (SPD), Halina Wawzyniak (LINKE) und Hans-Christian Ströbele (Grüne), sowie die Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin, Antje Kapek (Grüne) und Klaus Lederer (LINKE), sowie die Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) für ein vermittelndes Gespräch zur Verfügung zu stehen. Bisher bewirkte der Brief keine Einsicht des Eigentümers. Im »rbb« sagte dessen Anwalt Cornelius Ernst Wollmann, er sehe »keinen Grund«, von der Räumung abzusehen.
Das Bündnis »Zwangsräumung verhindern« kritisierte schon im Vorfeld der Räumung am Donnerstag einen »schiefliegenden Gewaltdiskurs«. Während »der Staat mit Gewalt Eigentumsrechte durchknüppelt«, sagte Sprecher David Schuster in einer Mitteilung, werde wieder »eine brennende Mülltonne im Zentrum der Berichterstattung stehen«. Das gesellschaftliche Gewaltverhältnis zeige sich allerdings darin, dass ein gut verdienender Geschäftsmann »für ein paar hundert Euro Mehreinnahmen im Monat die Existenz eines anderen Menschen aufs Spiel« setze.
Am Abend der Räumung ruft das Bündnis zu einer Demonstration um 18.30 Uhr am Kottbusser Tor auf.
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