Klimaschutz und CETA vertragen sich nicht

Ein Viertel der Klimagase werden durch den internationalen Güterhandel verursacht - durch Freihandelsabkommen wird das nicht besser

  • Eva Bulling-Schröter
  • Lesedauer: 5 Min.

Was für eine Woche! Am Montag bringt SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel seine Leute in der Partei auf CETA-Kurs, damit am Donnerstag im Bundestag dem Freihandelsabkommen mit Kanada grünes Licht gegeben wird. Beim Parteikonvent ausgewählter Delegierter wurde Basisdemokratie medienwirksam simuliert. Statt alle Parteimitglieder einzubeziehen macht Gabriel ein Ja für mehr Handel mit den AmerikanerInnen aus dem hohen Norden zur Kanzler-Kandidatenfrage.

Der deutsche Ex-Umweltminister drückt damit das durch, was die SPÖ-GenossInnen in Österreich einen Tag später ablehnen. 88 Prozent von befragten 200.000 Ösis mit sozialdemokratischem Parteibuch sagen »Nein« zum Comprehensive Economic and Trade Agreement, Allerdings mischen sich nur rund 14.300 bei der Basisbefragung der Regierungspartei mit. Stoppen werden die ÖsterreicherInnen das Abkommen, das als Blaupause für TTIP mit den USA gilt, in der EU nicht. Die slowakische Ratspräsidentschaft hatte zuvor angekündigt, CETA wie geplant im Oktober zu unterzeichnen. Klar wurde diese Tage wieder einmal, dass Deutschlands Linke - zählt man die SPD überhaupt noch zu diesem Lager - im Kampf gegen noch mehr neoliberalen Freihandel keine gemeinsame Stellung bezogen hat.

Ohne es groß an die Glocke zu hängen, hämmert in derselben Woche die Große Koalition die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens durchs Parlament. Die Initiative kommt, wie alle wichtigen Weichenstellungen, von der Regierung. Nicht aus den Abgeordnetenbüros von Union und SPD. Ein neues Beispiel unter Dutzenden, dass die Volksvertretung im System der parlamentarischen Demokratie längst zum Abnick-Anhängsel der mächtigen Ministerien verkommen ist. In nur einer Debatte frühstückt der Bundestag im abgekürzten Verfahren das wichtigste Klimaschutzabkommen der Geschichte ab. Meine Redezeit zum historischen Abkommen: 5 Minuten.

Eine breite gesellschaftliche Beschäftigung mit Klimawandel und Erderwärmung: Fehlanzeige. Wir von der LINKEN hatten eine Ratifizierung schnell nach der Einigung aller Staaten der Erde auf der 21. UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember letzten Jahres immer angemahnt. Jetzt nach der Sommerpause wird die Zeit knapp, will man bei der nächsten Klimakonferenz im November in Marokko mit am Verhandlungstisch sitzen. Am Freitag muss der Bundesrat seine Zustimmung geben. Dann unterschreibt Gauck. 30 Tage verstreichen nach Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde, dann ist Deutschland voll und ganz dem Pariser Weltklimavertrag beigetreten. Sogar die USA und China waren dem ersten Abkommen, das alle Staaten auf dem Globus zu Klimaschutz verpflichtet, vor Berlin beigetreten.

Klimaschutz und mehr Handel vertragen sich nicht

Klimaschutz und mehr Handel vertragen sich aber nicht. Für Völkerrecht gilt dieser Gandhi-Ausspruch: »Der Mensch kann nicht in einem einzelnen Lebensbereich recht tun, während er in irgend einem anderen unrecht tut. Das Leben ist ein unteilbares Ganzes.« Jeder wird zustimmen, dass man nicht morgens ein Ehegelöbnis eingeht und Treue schwört, um abends den Geliebten zu treffen. Genau das aber macht die Regierung. Morgens will die Gabriel mehr Freihandel. Abends will Umweltministerin Hendricks mit dem Paris-Abkommen mehr Klimaschutz.

Dabei legt Artikel 2 des Abkommens fest, dass die Bedrohung durch Klimawandel nur dann abgewendet werden kann, wenn die durchschnittliche Erdtemperatur deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau bleibt. Es werden sogar Anstrengungen angemahnt, um nicht auf 1,5 Grad zu kommen. Um diese Temperaturziele zu schaffen werden die Vertragsparteien aufgefordert, ich zitiere Artikel 4: »sobald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen«. Jetzt kann man sich darüber streiten, was »sobald wie möglich« genau heißt, also wann der Höhepunkt der weltweiten Emissionen geschafft werden muss. Was wir aber ganz genau wissen, dass ist die schädliche Klimawirkung von noch mehr Profit-Handel, noch mehr Profit-Wachstum, und genau das wollen CETA und TTIP.

Internationaler Handel verursacht über ein Viertel aller Klimagase

Das Weltwachstum ist noch lange nicht vom Treibhausgas-Ausstoß abgekoppelt. Studien schätzen, dass der internationale Handel mit Gütern und Dienstleistungen über ein Viertel aller Klimagase verursacht. Von 1950 bis 2010 ist der Welthandel um den Faktor 32 gewachsen. Allein von 1990 bis 2014 um das Vierfache. Tendenz steigend. Würden die CO2-Emissionen nicht am Ort der Produktion, sondern im Land des Verbrauchs gemessen, wären die Klimabilanzen der Industrieländer sogar noch viel höher. Die EU hätte ihre geschafften Kyoto-Klimaziele verfehlt, so eine Studie von 2008. Industrieländer können sich ihre Emissionen schön rechnen, kritisiert etwa die UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD). In Deutschland werden 42 Prozent der Emissionen »importiert«, werden also im Ausland verursacht. »Exportiert« werden aus Deutschland nur 25 Prozent der Emissionen, etwa Kohlestrom nach Großbritannien. 17 Prozent werden der deutschen Klimabilanz statistisch geschenkt. Die Deutschen stehen trotz hoher Umweltbelastung durch Waren, die sie hierzulande kaufen und verbrauchen, als Klima-Saubermänner da.

Nun haben wir LINKE nichts gegen Handel. Aber wir wollen vernünftigen Handel. Warum brauchen wir Blumen aus Kenia? Und wir müssen keine Fische von Kanada nach China bringen, dort von TagelöhnerInnen zu Fischstäbchen verarbeiten lassen, wieder einmal um den Globus nach Deutschland, damit uns hier billiges und schlechtes Essen aufgetischt wird. Wir brauchen keine Handelserleichterungen für Fracking-Gas und Teer-Sande. Und wir brauchen keine Klagerechte für schmutzige Energiekonzerne. CETA und TTIP, das heißt mehr Profit-Handel, mehr Profit-Wachstum, mehr Klimagase, mehr Erderwärmung, und kein »sobald als möglich«. Das genaue Gegenteil von Paris. Linke müssen beim Völkerrecht genau hinschauen. Wir brauchen mehr internationales Recht im Klimaschutz. Wir brauchen nicht mehr Freihandelsabkommen. Alles andere ist ein Verrat am Paris-Abkommen, bevor die Tinte auf dem Papier trocken ist.

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