Asien überholt Europa
Allianz stellt in ihrem Weltreichtumsbericht ein langsameres Wachstum der Vermögen fest
Die Notenbanken sind mit schuld, dass die Reichen immer reicher werden. Davon gibt man sich bei der Allianz-Versicherung überzeugt. Die Menschen rund um den Globus haben immer größere Geldvermögen. Allerdings hat sich das Wachstum im vergangenen Jahr deutlich verlangsamt, schreibt die Allianz in ihrer am Mittwoch erschienenen siebten Ausgabe des »Global Wealth Reports«. Danach stieg das Brutto-Geldvermögen der privaten Haushalte zwar um 4,9 Prozent auf den neuen Rekordwert von 155 Billionen Euro. Aber in den drei Jahren zuvor lag der Zuwachs im Schnitt jährlich noch bei neun Prozent. »Die besten Jahre sind vorbei«, meint Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise.
In der Vergangenheit hatte vor allem der von der Billiggeldschwemme großer Notenbanken beflügelte Börsenboom für kräftige Zuwächse gesorgt. Tatsächlich dient das billige Notenbankgeld seit Jahren als Schmierstoff für die Börsen. Der deutsche Leitindex DAX etwa legte seit Anfang 2012 um 80 Prozent zu. Inzwischen hätten die Kursschwankungen an den Aktienmärkten aber spürbar zugenommen. Gleichzeitig sinken die Zinsen für die Anlagen von Kleinsparern immer tiefer.
Der Vorwurf, die Zentralbanken nutzten mit ihrer Geldpolitik vor allen den Reichen, ist oft zu hören. Selbst einige Zentralbanker haben sich besorgt geäußert. So hatte schon vor zwei Jahren der Luxemburger Yves Mersch, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), darauf hingewiesen, dass besonders die Käufe von Wertpapieren in großem Umfange »die Einkommensungleichheit zu erhöhen scheinen«. Denn durch die Anleihekäufe der EZB steigen die Kurse der Papiere auch zum Nutzen der anderen Wertpapierbesitzer. Einige linke Ökonomen werfen Mario Draghi vor, so Vermögen von unten nach oben umzuverteilen.
Das sei zu einfach, meint die Bundesbank. Die »Verteilungswirkungen« seien verhältnismäßig schwach. Dass die expansiven geldpolitischen Sondermaßnahmen der vergangenen Jahre die Ungleichheit insgesamt erhöht hätten, erscheine »zumindest sehr zweifelhaft«, schreibt die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht. Andererseits habe die Geldpolitik nämlich positive Auswirkungen auf die konjunkturelle Entwicklung und damit auf die Beschäftigung. »Geldpolitische Maßnahmen, die das Arbeitslosigkeitsrisiko senken, haben ein großes Potenzial, Verteilungsungleichheit zu senken.« Weil die Niedrigzinspolitik hilft, Jobs zu schaffen, wird die Mehrzahl linker Ökonomen wohl auch weiterhin die Geldpolitik der EZB mittragen.
Dass sich das Wachstum des Reichtums verlangsamt hat, führt Allianz-Chefvolkswirt Heise ebenfalls auf die Notenbanken zurück. »Offensichtlich verliert die extrem expansive Geldpolitik als Treiber der Wertpapierpreise langsam an Wirkung.« Ein wichtiger Faktor des Vermögenswachstums der letzten Jahre falle damit weg.
Die Allianz verwaltet vor allem in den USA umgerechnet mehr als eine Billion Euro und gehört damit zu den größten Vermögensverwaltern weltweit. Ihr Fokus richtet sich verstärkt auf Asien. Von den 155 Billionen Euro Geldvermögen entfallen inzwischen 18,5 Prozent auf diese Region (ohne Japan). Asien konnte damit seinen Anteil seit Beginn des neuen Jahrtausends mehr als verdreifachen und ist am Euroraum (14,2 Prozent) vorbeigezogen.
Unangefochtener Spitzenreiter unter den mehr als 50 von der Allianz untersuchten Ländern ist weiterhin die Schweiz mit einem Brutto-Geldvermögen von 260 800 Euro pro Kopf im vergangenen Jahr. Auch nach Abzug der Schulden liegen die Schweizer mit netto 170 590 Euro vorn. Deutschland rangiert mit 67 980 Euro pro Kopf brutto weltweit auf Platz 20. Fazit: »Die globale Vermögensverteilung wird immer breiter, aber in vielen Industrieländern gewinnt nur die Spitze.«
Kritiker warnen vor einer Überbewertung solcher Studien, wie sie auch andere internationale Vermögensverwalter veröffentlichen. So spielt der Wechselkurs eine wichtige Rolle. Und die Anlagestrategie der eher börsenscheuen Deutschen gilt als äußerst vorsichtig. Trotz Minizinsen steckt ein großer Teil des Geldes hierzulande in schwach verzinsten Bankeinlagen sowie Lebensversicherungen und Riester-Renten. In den USA ist die Aktionärsquote dagegen vier Mal so hoch.
Unberücksichtigt sind auch die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung - mit entsprechenden Auswirkungen auf die Verteilungsstatistik. Und während in der Bundesrepublik die meisten Menschen zur Miete wohnen, ist in anderen Ländern oft die Wohneigentumsquote viel höher. Im »armen« Spanien besitzen vier von fünf Haushalten eine Immobilie.
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