Blass gegen Hass - Clinton kontra Trump

Beim ersten Fernsehduell steht die Favoritin unter größerem Druck als je zuvor

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Das erste von drei TV-Duellen zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton (Demokraten) und Donald Trump (Republikaner) an diesem Montag hat Schlüsselbedeutung, seit der Milliardär nach Clintons Lungenentzündung mit öffentlichem Schwächeanfall in den Umfragen stark aufgeholt hat. Das Clinton-Lager, vor Wochen auf Siegeskurs am 8. November, ist tief besorgt, während Trumps Team in der Fernsehdebatte an der Hofstra University auf Long Island neue Wirkungstreffer gegen die strauchelnde Favoritin landen will.

Übereinstimmend erwarten Beobachter, dass die Kandidaten versuchen werden, sich mit ihren Stärken zu profilieren: Clinton werde Erfahrung und Kenntnis, Entschlossenheit und Berechenbarkeit ausstellen. Trump, immer für Überraschungen gut, dürfte erneut auf Intuition und die Tatsache setzen, dass ihm all seine Hassparolen, rassistischen Losungen und erwiesenen Lügen beim eigenen Anhang bisher nicht schadeten. Trump nutzte jüngste Auftritte, um seine nationalistischen Positionen weiter zu schärfen.

Zur Ausgangslage schrieb die »New York Times«: »Die drei Fernsehdebatten sind Trumps beste Chance, Hillary Clinton zu stoppen, die trotz einer Zuspitzung des Duells alles in allem weiter bessere Siegchancen besitzt. Und da das Rennen wohl von den über 100 Millionen Personen entschieden wird, die in keiner der Vorwahlen abstimmten, wird es für manche Wähler die erste Gelegenheit sein, einen genaueren Blick auf Trump zu werfen.« Wie üblich suchen die Kandidaten im jetzigen Stadium neben eigenen Anhängern sogenannte unabhängige Wähler zu erreichen. Interessanterweise nahm Clinton bisher nichts von ihren sozialen Forderungen zurück, mit denen sie sich in den Primaries gegen den linken Senator Bernie Sanders zu behaupten suchte. In Sicherheitsfragen wiederum nimmt sie Positionen ein, die auch konservativeren Wählern zusagen. Trump tut wenig, um in Kernpunkten gemäßigter zu erscheinen. Vielmehr verstärkt er seinen Nationalismus, indem er z.B. drastische Einwanderungsverschärfungen fordert. »Seine Vorschläge sind brutaler als alles, was Amerikas Öffentlichkeit seit Jahrzehnten bei Debatten in der heißen Phase einer Präsidentschaftskampagne erlebt«, so die »New York Times«.

Clinton ihrerseits sucht mit den Debatten aus der Defensive zu kommen, in die sie auch durch die jüngsten Anschläge in New York und New Jersey geriet. Trump hatte die Attentate zur Deutungshoheit sofort mit Kommentaren wie »Ich werde den IS in die Steinzeit bomben« ausgeschlachtet. Clinton hielt Trump vor, seine Reden hülfen dem sogenannten Islamischen Staat, weil er den falschen Eindruck erzeuge, die USA stünden mit dem Islam im Krieg.

Clintons Problem bleibt, dass ihre Glaubwürdigkeitswerte schwach sind. Parallel zu den drei TV-Debatten, von denen die letzte am 19. Oktober stattfindet, läuft eine konzertierte Aktion der Demokraten, der Kandidatin mit Prominentenhilfe unter die Arme zu greifen. So versuchen Präsident Barack Obama und Ehefrau Michelle bei Latinos und Afroamerikanern zu erreichen, wofür in Ohio, Schauplatz der ersten TV-Debatte, der populäre Bernie Sanders bzw. die liberale Senatorin Liz Warren Studenten aufriefen: Stimmt für Hillary! Der Einsatz von Obama und Vizepräsident Joe Biden, von Sanders und Warren bezeugt die neue Nervosität im Wahlkampfteam von Hillary Clinton.

Doch es gibt auch neuen Optimismus. Die Internetplattform »Politico« orakelte, »wie Hillarys sehr schlechter September sehr gut für sie im November werden könnte: Die größte Gefahr für sie lag immer darin, dass die Wahlbeteiligung zu gering ist. Nun könnte Trumps Umfragezuwachs endlich die Clinton-Zauderer wach rütteln.« Ob das so sein wird, werden nicht zuletzt die TV-Debatten von »Hass gegen Blass« zeigen.

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