Open Data
Smarte Worte 8: Daten, die bei öffentlichen Institutionen anfallen, sollten frei verfügbar und weiter nutzbar sein
Das Konzept Open Data (Offene Daten) ist beseelt von der Idee, dass Offenheit gut für eine lebendige Demokratie und gesellschaftliche Innovationen ist. Open Data bedeutet, dass Daten, insbesondere jene, die bei öffentlichen Institutionen anfallen, frei verfügbar und weiter nutzbar sein sollen. Der Bund, Kommunen, öffentliche Einrichtungen wie Ministerien, Behörden oder Verwaltungen produzieren eine Unmenge an Daten, die sich bisher kaum produktiv wenden lassen.
Die Daten sind dabei sehr unterschiedlicher Natur. Es kann sich dabei um Rohdaten wie Klimadaten handeln, oder Daten von Wetterstationen, Geodaten von Landschaftsvermessungen, Verkehrsdaten des öffentlichen Personennahverkehr oder bearbeitete Daten in Form von Gesetzen, Urteilen oder Gutachten. Angesichts dieses ungehobenen Datenschatzes verfallen nicht nur Wissenschaft und Forschung, sondern auch zahlreiche (junge) Unternehmen in Goldgräberstimmung. Sie wittern neue Geschäftsmodelle und Big-Data-Anwendungen, wie beispielsweise Apps (Software-Anwendungen) für die Parkplatzsuche, für die spontane Wahl des Verkehrsmittels oder für die Vorhersage von Pollenbelastungen. Kritische Stimmen sehen darin eine weitere ökonomische Inwertsetzung eines öffentlichen Gutes.
Ob vorranging datengetriebene Unternehmen von der Öffnung der Daten profitieren oder auch zivilgesellschaftliche Akteure gemeinwohl-, sozial- oder ökologisch orientierte Modelle entwickeln können, hängt maßgeblich davon ab, unter welcher (Urheberrechts)Lizenz Daten frei gegeben werden. Open Data rüttelt damit auch an einer gesellschaftspolitischen Grundfrage der Wissensgesellschaft. Sollte die Nutzung von öffentlich produzierten Daten von der Gnade der Verwaltung abhängen oder sollten Daten als Gemeingüter (Commons) verstanden werden, sollte Daten-Eigentum erhoben werden?
Die Bundesregierung hat ein Portal für einige staatliche Daten aufgesetzt. Allerdings wurde für dieses »GovData« genannte Internet-Portal eine eigene Lizenz entwickelt, die nur bedingt kompatibel zu offenen Modellen wie Creative Commons ist. Open Data ist ein Puzzleteil der Openess-Bewegung (Open Source, Open Access, Open Government, etc.). Nicht nur offene Lizenzen sind nötig, sondern auch offene Schnittstellen (API), damit auf die Daten zugegriffen werden kann oder offene Standards, damit Daten interoperabel über Plattformen hinweg genutzt werden können.
Die Enquete-Kommission »Internet und Digitale Gesellschaft« des Bundestages hat in ihren Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung Kriterien formuliert, damit Open Data zur vollen Entfaltung kommt. Den BürgerInnen müssen von öffentlichen Stellen Daten nutzerfreundlich, vollständig, primär, zeitnah, kosten- und barrierefrei, maschinenlesbar, nicht diskriminierend, interoperabel, nicht proprietär und lizenzfrei zugänglich gemacht werden.
Open Data entstammt also einerseits der Openess-Bewegung. Andererseits wurde die Idee auch stark von der Debatte um »Transparenz« getrieben. Für eine vitale Demokratie ist es essentiell, dass der Staat transparent agiert. Denn nur informierte BürgerInnen können mündig über die gesellschaftliche Zukunft mitbestimmen. Open Data ist also auch eng mit eDemocracy verwoben.
Aus dieser Idee heraus wurden Informationsfreiheitsgesetze (IFG) verabschiedet. Diese gestehen den BürgerInnen ein Recht auf Zugang zu Informationen gegenüber Behörden zu. Ein großer Schritt, aber noch kein Dogmenwechsel. Denn Behörden sitzen wie zu Zeiten des preußischen Obrigkeitsstaates auf Daten und geben sie nur auf einzelne Nachfragen frei, oder auch nicht. Neben den erwähnten Urheberrechten, wird immer wieder das Feigenblatt der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zur Ablehnung angeführt, da diese einen höheren verfassungsrechtlichen Stellenwert genießen.
Daten per IFG-Anfrage zu befreien ist ein teilweise kostspieliges und zeitaufwendiges Unterfangen. Nur wenige Akteure der engagierten Zivilgesellschaft verfügen über das technische und rechtliche Wissen, um beispielsweise Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages öffentlich zugänglich zu machen (u.a. Open Knowledge Foundation). Trotz der Hürden nehmen die IFG-Anfragen jährlich drastisch zu.
Open Data wiederrum verlangt eine echte Umkehr eines Verwaltungsprinzips und einen Kulturwandel. Behörden müssen selber proaktiv sämtliche Daten frei geben. Nur in begründeten Einzelfällen, wenn beispielsweise die Wahrung von Grundrechten wie Persönlichkeits- oder Datenschutz dagegen sprechen, dürfen einzelne Informationen zurück gehalten werden. Getreu der alten Ethik des Chaos Computer Clubs »Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen«.
Und doch, zahlreiche Studien der EU-Kommission, des Normenkontrollrats und der Open Knowledge Foundation konstatieren, dass Deutschland zu den Schlusslichtern beim Zugang zu öffentlichen Datenbeständen gehört. Und das, obwohl es die letzten Jahre wahrlich nicht an (Lippen-)Bekenntnissen gefehlt hat. Alle Fraktionen im Bundestag haben in zahlreichen Anhörungen und Plenardebatten den Wert von Open Data gepriesen, die G8 hat eine Open Data Charta verabschiedet, die Bundesregierung ist nach Jahren des Zauderns der Open Government Partnership beigetreten und hat einen nationalen Aktionsplan ausgerufen.
Nur geschehen ist in den Jahren sehr wenig. Immerhin hat die Bundesregierung angekündigt, auf den letzten Metern der Legislatur ein Open-Data-Gesetz zu liefern, das Behörden zur Öffnung der Daten verpflichtet. Der Zwang zur Freiheit kommt also vielleicht doch noch. (cp)
Zum Weiterlesen:
Open Knowledge Foundation Deutschland
Open Data Handbuch der Open Knowledge Foundation
»Open Data« von der Bundeszentrale für Politische Bildung
Bericht der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft zu »Demokratie und Staat«
Fraunhofer-Institut Open Data
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