Was den Unterschied machen würde
Mit Personaldebatten wird die Linkspartei nicht attraktiver. Und warum muss man überhaupt Spitzenkandidaten nominieren? Ein Zwischenruf von Tom Strohschneider
Es ist in den vergangenen Wochen viel in der LINKEN darüber gesprochen worden, ob und wie man sich von den anderen Parteien besser unterscheiden könne. Eine gute Frage, auf die jetzt gerade eine falsche Antwort gegeben wird: Mit einem Personalstreit ein Jahr vor der Bundestagswahl wird das nämlich nicht gelingen.
Wer am Ende auf Plakaten prangt und sich daraus einen Zugriff auf künftige Ämter verspricht - das entfaltet nur parteiintern eine Attraktivität. Draußen, bei »den Menschen«, die schon der K-Fragen-Schlagzeilen um Sigmar Gabriel und die Zukunft von Angela Merkel überdrüssig sind, kommt eine andere Botschaft an: Jetzt fangen die auch noch damit an.
Natürlich ist es nicht egal, wer in Zeiten eines stark medial getriebenen Politikbetriebs in der ersten Reihe steht. Es ist aber ebenso wenig eine Nebensache, welche Milieus, welche potenziellen Wähler eine Partei ansprechen will. So richtig der Gedanke ist, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen - die PDS hatte 2002 mit einem Wahlkampf-Quartett eine schwere Niederlage und den Verlust ihres Fraktionsstatus erlitten -, so falsch ist es, die Erfahrungen der letzten Zeit außer Acht zu lassen.
Die Linkspartei hat in urbanen Milieus zugelegt, sie hat jüngere Wähler gewonnen, sie ist auch wegen einer Haltung gewählt worden - in der Flüchtlingspolitik. Anders gesagt: An den Wahlen in Berlin vorbei sollte man eine wichtige wahlstrategische Entscheidung nicht treffen. Das bedeutet nicht, auf der anderen Seite genauso klassenpolitische und auf Protestmotive eingehende Anstrengungen zu unterlassen. Eine Linkspartei, die eines von beiden vernachlässigt, wird 2017 nicht sehr erfolgreich sein.
Man kann nicht oft genug daran erinnern: Es geht bei den Wahlen im kommenden Herbst um viel. Gegen den Rechtsruck, gegen die Verewigung des Modells Merkel, gegen die neoliberale Dauerverwaltung hierzulande und auf europäischer Ebene ist ein starkes Signal von links dringend nötig. Ein solches wird aber nur ausgesandt, wenn es aus dem Chor der anderen herauszuhören ist. Und wenn es ein Versprechen sozialer Sicherheit mit der Garantie von Freiheitsrechten verbindet.
Mit dem Werfen von parteipolitisch kleinen Münzen wie Personaldebatten wird man den gesellschaftlichen Resonanzboden, der eine linke Partei in Zeiten wie diesen nach oben katapultieren könnte, jedenfalls nicht zum Schwingen bringen. Eine größere Portion utopischer Überschuss könnte da schon mehr bewirken: Warum eigentlich muss man überhaupt Spitzenkandidaten nominieren? Und wenn es so ist, warum muss man das dann so wichtig nehmen?
Dafür, dass prominente Genossen in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, braucht es dieses Etikett in Wahrheit doch gar nicht. Oder denkt jemand, Gregor Gysi, der nur noch als Direktkandidat antreten möchte, wird 2017 nicht mehr in Talkshows eingeladen? (Einmal abgesehen von der Frage, ob die wahlpolitische Zählbarkeit von Talkshowauftritten eigentlich schon einmal ordentlich untersucht worden ist.)
Was es braucht in diesen Zeiten ist vielleicht etwas anderes: eine Partei, die demokratisch auch im eigenen Laden ist, die emanzipatorisch in jeder Beziehung auftritt, die widerständisch gegenüber den Zumutungen der herrschenden Verhältnisse und solidarisch mit denen ist, die darunter am meisten zu leiden haben - und die mit dialektischer Gelassenheit auch auf Schwierigkeiten wie eine Regierungsoption reagiert, weil nämlich die Erwartung wirksamer Veränderung der entscheidende Treibstoff für einen linken Wahlerfolg ist.
Daran sollten jetzt auch jene die Linkspartei erinnern, die ihr zwar nicht angehören, die aber eine berechtige Erwartung an sie haben. Weil es um viel geht.
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