Orbans Anti-Flüchtlings-Referendum gescheitert

98 Prozent gegen EU-Quoten zur Verteilung von Asylbewerbern, aber viel zu geringe Wahlbeteiligung

  • Lesedauer: 3 Min.

Das ungarische Referendum über die EU-Flüchtlingspolitik ist klar an einer zu geringen Wahlbeteiligung gescheitert. Bei der Abstimmung gaben am Sonntag nur 39,9 Prozent der Wahlberechtigten einen gültigen Stimmzettel ab, wie die Wahlbehörde nach Auszählung von 99,8 Prozent der Voten meldete. Für einen Erfolg hätten aber mehr als 50 Prozent gültig wählen müssen.

Bei dem Referendum stimmten 98,3 Prozent oder umgerechnet 3,2 Millionen Wähler mit Nein - also gegen die umstrittenen EU-Flüchtlingsquoten, mit denen Asylbewerber gleichmäßiger auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden sollen.

Der rechts-konservative Ministerpräsident Viktor Orban präsentierte sich vor Anhängern seiner Regierungspartei Fidesz dennoch in Siegerpose. »Wir haben ein großartiges Ergebnis erzielt«, sagte er am späten Abend in Budapest. »Die Waffe wird auch in Brüssel ziemlich scharf sein«, fügte er hinzu. Er ging mit keinem Wort darauf ein, dass das Referendum ungültig war. Zuvor hatte auch der Fidesz-Vize Gergely Gulyas von einem »überwältigenden Sieg« gesprochen.

Die Volksabstimmung war von Orbans Regierung initiiert worden. Mehr als acht Millionen Ungarn waren dazu aufgerufen. Die Frage lautete: »Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des Parlaments die verpflichtende Ansiedlung von nicht ungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreiben kann?«

In einer monatelangen Kampagne mit fremdenfeindlichen und alarmistischen Untertönen hatte die Regierungspartei Fidesz für das Nein geworben.

Die Linken-Politikerin Gabriele Zimmer wertete den Ausgang am Abend als »Eigentor« für Ministerpräsident Viktor Orban. »Trotz seiner Hetz-Kampagne, die Halbwahrheiten und Lügen gegen Menschen auf der Flucht verbreitete, trotz einer landesweiten Roadshow seiner Parteifreunde haben weniger als die Hälfte der Ungarn Orbans Referendum unterstützt«, sagte die Vorsitzende der Linksfraktion im Europaparlament der Deutschen Presse-Agentur.

Die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Rebecca Harms, bezeichnete das Ergebnis ebenfalls als Niederlage Orbans. »Der ungarische Ministerpräsident ist mit seiner Anti-Flüchtlingskampagne gescheitert (...) Das lässt hoffen, auch wenn nur wenige Stimmen für die Aufnahme von Flüchtlingen abgegeben wurden.«

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte der dpa: »Das ist kein guter Tag für Herrn Orban und kein so schlechter Tag für Ungarn und die EU.« Das ungarische Volk habe sich europäischer als seine Regierung gezeigt.

Orban hatte mehrfach die Bedeutung einer gültigen Volksabstimmung für seinen »Kampf gegen die Brüsseler Bürokratie« betont. Bei der Stimmabgabe am Vormittag ruderte er allerdings zurück. »Die juristischen Konsequenzen werden in jedem Fall eintreten«, unabhängig von der Gültigkeit der Volksabstimmung, sagte er vor Reportern. Man werde gesetzlich festschreiben, dass nur das ungarische Parlament bestimmen könne, »mit wem die Ungarn zusammenleben wollen«, fügte er hinzu. »Die einzige Bedingung ist, dass es mehr Nein als Ja geben muss.« Das Übergewicht der Nein-Stimmen stand nie in Zweifel.

Mehrere Zivilorganisationen sowie die »Partei Zweischwänziger Hund« - eine Satire-Partei - hatten zur Abgabe einer ungültigen Stimme aufgerufen. Vor allem letztere hatte eine aus Kleinstspenden finanzierte Plakatkampagne gestartet, die deutlich sichtbar war und die Parolen des Regierungslagers mit absurden Slogans ins Lächerliche zog. Die linken Oppositionsparteien hatten zum Boykott des Urnengangs aufgerufen. dpa/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.