Automobilsalon im Zeichen neuer Technik

3D-Brillen, Elektroantriebe und Wasserstoffautos - die Branche erfindet sich neu. Frankreich hinkt aber hinterher

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Der international größte Automobilsalon, der seit dem Wochenende in Paris stattfindet und auf dem im Verlauf von zwei Wochen eine Million Besucher erwartet werden, steht diesmal mehr denn je im Zeichen neuer und vor allem nachhaltiger Technologien. Um das Fortbleiben von Marken wie Ford, Volvo und Rolls-Royce zu kompensieren, denen der Salon zu publikumsorientiert ist, gibt es für die Besucher einige attraktive Neuheiten.

So ist eine Halle komplett dem Automobilsport vom Karting bis zur Formel 1 gewidmet. An anderer Stelle sind nahezu 100 Oldtimer ausgestellt, die viele Besucher anziehen und am Ende des Salons versteigert werden. Eine Ausstellung mit dem Titel »Das Auto macht sein Kino« setzt rund 50 berühmt gewordene Autos in Szene, die eine zentrale Rolle in legendären Filmen gespielt haben. Oft kann sich der Besucher an den Ständen der großen Hersteller nicht nur hinters Steuer der neuesten Automodelle setzen, sondern bekommt einen 3D-Helm angeboten, mit dem ein virtuelles Fahrerlebnis simuliert wird.

Die Hersteller werben weniger mit futuristischen und wirklichkeitsfernen Concept Cars als mit praktischen Verbesserungen für Otto Normalverbraucher. Das in den Medien heiß diskutierte Thema des dank Computersteuerung autonomen Autos kommt auf dem Salon nur am Rande vor.

Nicht zu übersehen ist, dass alle Marken ihr Umweltbewusstsein herausstellen und nachhaltige Antriebstechnologien - vom Hybridantrieb über den Elektromotor bis zur Wasserstoffzelle - in den Vordergrund rücken. Selbst ein Ausnahmemodell wie das schier endlos lange Maybach-Sportcoupé Vision, das Publikumsmagnet auf dem Mercedes-Stand ist, verfügt über einen Elektroantrieb - allerdings einen mit 750 PS. Bei den besonders zahlreichen Elektroautos, denen lange Zeit der Ruf vorausging, dass sie nicht nur vergleichsweise teuer sind, sondern auch eine begrenzte Reichweite haben, wird mit großen Ziffern auf die heute schon stark gesteigerte Autonomie aufmerksam gemacht. Die reicht je nach Modell von 300 bis 600 km pro Batterieladung.

Insgesamt 110 E-Automodelle sind in diesem Jahr ausgestellt. Doch während international führende Marken wie Volkswagen, Toyota oder Mercedes bei ihren Modellen aller Größen durchweg als Alternative zum Verbrennungsmotor auch Hybrid- oder Elektroantrieb anbieten, verfügen die drei großen französischen Marken Renault, Peugeot und Citroën nur über einige wenige E-Modelle und dies auch nur bei den Kleinwagen. Es ist nicht zu übersehen, dass die französischen Hersteller den Anschluss ans internationale Spitzenfeld verloren haben und entsprechende Investitionen in Forschung und Entwicklung nötig sind. Auch muss der Staat tiefer in die Kasse greifen, um Elektroautos durch Kaufprämien attraktiver und erschwinglicher zu machen. Heute gibt es beim Kauf eines elektrisch getriebenen Neuwagens 10.000 Euro, wenn dafür ein Auto mit Dieselmotor verschrottet wird, oder 6700 Euro ohne Abwracken. Trotzdem hat nur eins von 200 heute verkauften Autos einen Elektroantrieb.

Andererseits ist der Anteil der Autos mit Dieselmotor, die früher in manchen Jahren bis zu 80 Prozent der in Frankreich verkauften Neuwagen ausmachten, aufgrund der massiven Aufklärung über deren Umweltschädigung und sicher auch unter dem Eindruck des VW-Skandals auf heute rund 50 Prozent gefallen. Doch Umfragen zufolge stehen 44 Prozent der Franzosen dem Elektroauto nach wie vor reserviert bis ablehnend gegenüber. Das liegt vor allem am Preis, obwohl der stetig sinkt, weil neue Batterien jedes Jahr um 15 Prozent billiger werden. Von insgesamt 38 Millionen Personenautos in Frankreich sind 100.000 Elektrofahrzeuge, doch ihr Anteil steigt, denn davon wurden 32.000 im vergangenen Jahr gekauft.

Um das ebenfalls sehr sensible Problem der Auflademöglichkeiten zu lösen, wird vom Staat die Einrichtung von 15.000 Anschlüssen jährlich zu 30 Prozent subventioniert. Auch so gibt es heute landesweit 900.000 Anschlüsse, von denen sich die meisten in privaten Garagen befinden. Auch 100.000 öffentlich zugängliche Anschlüsse auf den Parkplätzen von Kaufhäusern und Supermärkten oder auf Autobahnparklätzen und am Rande der 10.000 Tankstellen des Landes sind installiert.

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