Selbst verschuldetes Desaster
Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel über das systemisch strafanfällige Geschäftsmodell der Deutschen Bank
Ende letzter Woche hat die Deutsche Bank an den Börsen ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Die Aktie notierte erstmals für wenige Stunden knapp unter der kritischen Symbolmarke von 10 Euro. Der Bank wird nicht mehr zugetraut, die Kosten für die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten zu finanzieren. Neue Strafandrohungen aus den USA in Milliardenhöhe kommen zu den bereits von 2012 bis 2015 zurückgestellten Kosten in Höhe von 12,5 Milliarden Dollar hinzu. Diese Pönale sind die Folge von betrügerischen Manipulationen.
Der Niedergang seit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise 2007 ist die logische Folge des gescheiterten Geschäftsmodells der Deutschen Bank als unseriösem »Global Player« im internationalen Kasinokapitalismus. Die ökonomischen Eckwerte spiegeln das selbst verschuldete Desaster wider: Beim letzten Hoch Ende April 2007 lag der Aktienkurs bei 102,27 Euro. Während die Bücher das Eigenkapital noch mit 62,7 Milliarden Euro ausweisen, wird das Unternehmen aktuell an den Börsen nur noch mit rund 17 Milliarden Euro bewertet. 2015 konnten erstmals keine Dividenden ausgeschüttet werden, über 6 Milliarden Euro an Verlusten wurden eingefahren. Auch das ist typisch für das spekulationsgetriebene Geldhaus: An den hohen Bonuszahlungen an diejenigen, die mit ihren Geschäften die Bank ins Minus beförderten, hat sich kaum etwas geändert. In den letzten 15 Jahren sind geschätzt zwischen 40 und 50 Milliarden Euro an die Investmentbanker geflossen, während sie viel weniger an Wert als vor 2006 abgesichert haben.
John Cryan, die tragische Führungsgestalt der Deutschen Bank, hat mit seiner Aussage, sein Institut sei das Opfer von Spekulanten, eher Spott geerntet als Vertrauen herstellen können. Dieser Mitleidsappell ist dumm und dreist, denn der Geschäftsbereich Prime Brokerage ist mit geschätzten 33 Milliarden Euro rund 760 Hedgefonds bei der Abwicklung und Finanzierung ihrer Wetten auf Aktienkurse behilflich. Das Opfer finanziert also die Täter.
Die lang angelegte Krise resultiert aus dem Grundfehler der bisherigen Geschäftspolitik: Das hoch gepriesene Investmentbanking brachte mit abenteuerlichen, teils kriminellen Instrumenten hohe Spekulationsprofite, während die Geschäfte für den normalen Privatkunden und den Mittelstand vernachlässigt wurden.
Jetzt stottert der Motor der Spekulationsmaschine. Die zuvor verachteten Kritiker werden bestätigt. Mit dem Ackermannschen Wahnsinn, eine Rendite von mindestens 25 Prozent nach Steuern zu erkämpfen, hat die Deutsche Bank zum Beinahezusammenbruch der Finanzmärkte aktiv beigetragen und die eigene Niederlage produziert. Im Klima skrupelloser Profitgier und Bonuszahlungen an die Investmentbanker ist ein kriminelles Potenzial herangewachsen: Handel mit Ramschpapieren, betrügerische Karussellgeschäfte, Manipulation der Referenzzinssätze Libor und Euribor, Devisenkursmanipulationen, Zinswetten mit Städten wie Pforzheim, Cum-Ex-Geschäfte und jüngst der Vorwurf von Geldwäsche sowie Verstöße gegen Sanktionsregeln in Russland.
Der Niedergang verlangt eine grundlegende Neuorientierung. Der durch Aufsichtsratschef Paul Achleitner geforderte »Kulturwandel« impliziert eine allerdings ärgerliche Wahrheit: Die Deutsche Bank hatte in der Phase der Profitjagd keine Kultur oder besser kein ethisch fundiertes und gesteuertes Geschäftsmodell. Die Unternehmensverfassung war systemisch strafanfällig.
Jetzt stellt sich die Frage, in welcher Struktur das Institut fortgeführt werden kann. Berücksichtigt werden müssen die Überkapazitäten im deutschen Bankensystem, die durch die Digitalisierung der Geschäfte noch verschärft werden. Cryan will bei der Fortführung einer selbstständigen Deutschen Bank das Investmentbanking erhalten. Dagegen wird das in den Zweigstellen abgewickelte Geschäft für die normalen Kunden massiv reduziert. Diskutiert wird auch eine Großfusion mit der Commerzbank. Mit großen Überschneidungen wäre zu rechnen, massiver Abbau von Arbeitsplätzen die Folge.
Sollte der Niedergang nicht aufzuhalten sein, dann könnte der Staat die Bank übernehmen, um die Abwicklung zu realisieren. Steuermittel dürfen nach den Regeln der EU-Bankenunion dabei nicht eingesetzt werden. Die Abteilung Spekulationen innerhalb des Investmentbankings muss geschlossen werden. Lukrative Bereiche wie die Vermögensverwaltung werden verkauft. Die bisherigen Kapitaleigner übernehmen die Finanzierung der Restabwicklung.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.