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Aus für regierungskritische »Nepszabadsag« in Ungarn

Eigentümer Mediaworks will ein »neues Konzept« / Mitarbeiter beurlaubt / Sozialisten: »Schwarzer Tag für die Presse«

  • Lesedauer: 3 Min.

Budapest. Ungarns größte Oppositionszeitung »Nepszabadsag« hat vorerst ihr Erscheinen eingestellt. Die Entscheidung sei aus wirtschaftlichen Gründen getroffen worden und gelte bis zur »Formulierung und Realisierung eines neuen Konzepts«, teilte der Eigentümer Mediaworks nach Angaben der Nachrichtenagentur MTI am Samstag mit. »Nepszabadsag« ist Ungarns bestverkaufte großformatige Zeitung, dennoch schreiben ihre Print- und ihre Onlineausgabe Verluste.

Die oppositionellen Sozialisten erklärten, die Einstellung der Zeitung sei ein »schwarzer Tag für die Presse«. Sie riefen für Samstagabend zu einer Demonstration vor dem »Nepszabadsag«-Gebäude auf.

»Nepszabadsag« hatte immer wieder kritisch über den ungarischen Regierungschef Viktor Orban berichtet, zuletzt vor dem Referendum über die Flüchtlingsverteilungsquote der Europäischen Union vor einer Woche. Kritiker werfen dem einwanderungsfeindlichen und rechtskonservativen Ministerpräsidenten vor, die Medien im Land zu Verlautbarungsorganen seiner Regierung machen zu wollen. Zahlreiche privatwirtschaftliche Medien wurden demnach von regierungsfreundlichen Oligarchen aufgekauft.

Am Samstag wurde spekuliert, dass auch »Nepszabadsag« an einen Orban-Unterstützer verkauft wird. Der österreichische Konzern Mediaworks, der die Zeitung und weitere ungarische Titel gekauft hatte, machte allerdings keine Angaben zu einem möglichen Verkauf.

Die Belegschaft von »Nepszabadsag« kritisierte, dass die Entscheidung, das Erscheinen vorerst einzustellen, hinter ihrem Rücken gefallen sei. »Das Land wusste davon, bevor wir es wussten (...) unser erster Gedanke war, dass es ein Putsch ist«, schrieb die Belegschaft auf der Facebook-Seite der Zeitung.

Ein Mitarbeiter der Zeitung, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte der Nachrichtenagentur AFP, Journalisten, die Artikel für die Montagsausgabe vorbereitet hätten, sei plötzlich der Zugang zu ihren Arbeitsplätzen verwehrt worden. In Briefen seien sie von ihrer Beurlaubung informiert worden. »Wir stehen unter Schock«, sagte der Mitarbeiter. »Natürlich werden sie versuchen, es wie eine geschäftliche Entscheidung aussehen zu lassen, aber das ist nicht die Wahrheit.«

Der Mitarbeiter kritisierte, die Entscheidung sei »ein schwerer Schlag für den investigativen Journalismus und die Pressefreiheit«. »Nepszabadsag« sei das größte Organ für Qualitätsjournalismus in Ungarn, das sich für die Verteidigung von »grundlegenden Freiheiten, Demokratie, Redefreiheit und Toleranz« eingesetzt habe.

Laut Mediaworks ist die Auflage von »Nepszabadsag« in den vergangenen zehn Jahren um 74 Prozent gefallen. Dadurch wurden Verluste in Höhe von fünf Milliarden Forint (16,4 Millionen Euro) angehäuft.

Mediaworks gehört zum Firmengeflecht der österreichischen Investmentfirma Vienna Capital Partners (VCP). Die VCP-Tochter besitzt in Ungarn weitere Printmedien, darunter zwölf Regionalzeitungen. VCP-Chef Heinrich Pecina ist ein Investment-Banker, der seit mehr als zwei Jahrzehnten im ehemals kommunistischen Osteuropa tätig ist.

Die Budapester Führung wies politische Motive von sich. »Keinesfalls wollen wir gegen die Pressefreiheit auch nur dadurch verstoßen, dass wir uns in die Entscheidungen eines Verlagsunternehmens einmischen«, erklärte Regierungssprecher Bence Tuzson. Der Fidesz-Vize-Vorsitzende Szilard Nemeth meinte allerdings im Nachrichtensender Hir TV: »Es war hoch an der Zeit, dass diese Zeitung unerwartet zusperrt.« Agenturen/nd

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