Mitbestimmung auch international
Deutsche und US-amerikanische GewerkschafterInnen diskutierten in Berlin
Was kann getan werden, damit mit den umstrittenen Handelsabkommen CETA und TTIP die Mitbestimmung nicht ausgehöhlt wird? Welche Rolle spielen die Gewerkschaften? Um Antworten auf diese Fragen zu finden und um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen, trafen sich GewerkschafterInnen aus Deutschland und den USA am Donnerstag in Berlin. Bereits am Morgen hatte die IG Metall eine Studie zum Zusammenhang von Mitbestimmung und Außenwirtschaftspolitik vorgestellt.
Ein Fazit der Untersuchung, die Alison Schultz und Christoph Scherrer im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung geschrieben haben: «Gerade in Zeiten global mobilen Kapitals hilft die Einbindung von Beschäftigten in den Aufsichtsrat, langfristige Wachstums- und Beschäftigungsinteressen statt kurzfristiger renditeorientierter Anreize zu verfolgen und bietet so eine nachhaltige Alternative zum Shareholder-Modell.» Die EU-Kommission könnte von daher die Abkommen nutzen, um Mitbestimmungsrechte international zu stärken.
Es gibt auch verschiedene Möglichkeiten die deutsche Unternehmen nutzen können, um die Mitbestimmung in ihren internationalen Dependancen zu fördern. Dazu gehöre die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in Nationalen Aktionsplänen. Auch könnten die deutschen Botschaften als Ansprechpartner Unternehmen sein. Eine Befragung im September habe ergeben, das die SozialreferentInnen der Botschaften sich in Mitbestimmungsfragen besonders gut auskennen.
Ein Grundproblem sei, heißt es, die auch bei CETA und TTIP deutlich werdende «Zweiteilung von Rechtsnormen». Heißt: Unternehmensrechte werden verbindlich geschützt, Arbeits- und Sozialrechte seien «weiche» Rechte, die stark auf Selbstverpflichtung basierten. Darum berge die in den Abkommen enthaltene weitere Liberalisierung von Dienstleistungen die Gefahr, dass durch kurzfristige Arbeitsmigration die Mitbestimmung in den betreffenden Branchen weiter ausgehöhlt werde. Zudem fehle die Rückbindung von öffentlicher Auftragsvergabe an Sozialstandards, und letztlich könnten durch Investitionen aus den US oder Kanada in Deutschland die «mitbestimmungsfreien Zonen ausgeweitet werden. Ein Beispiel hierfür ist der Onlinehändler Amazon bzw. dessen Auftreten in Deutschland: eine tarifvertragsfreie Zone, in der die Gewerkschaft lange als Fremdkörper im Unternehmen gesehen und bekämpft wurde. Aber das ist kein deutsches Phänomen allein.
Elizabeth Bunn, Organizing Direktorin beim US-Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO, sprach bei der Konferenz am Donnerstag von der Bedeutung der Union-Busting-Industrie - eine vier Milliarden US-Dollar schwere Branche, deren einziges Geschäftsfeld es sei, Gewerkschaftaften zu zerschlagen. »Das ist für uns ein riesiges Problem. In 80 Prozent unserer Organizing-Kampagnen haben wir es mit Union Bustern zu tun.« Bunn unterstrich die gesellschaftspolitischen Folgen: »Es gibt einen klar nachweisbaren Zusammenhang zwischen dem Einflussverlust der Gewerkschaften und der Zunahme sozialer Ungleichheit in den USA.«
Scott Courtney, Vizepräsident der über zwei Millionen Mitglieder starken Dienstleistungsgewerkschaft SEIU, gab einen Rückblick über die »Fight for 15«-Bewegung - für eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes von derzeit 7,25 auf 15 US-Dollar. Seit dem ersten Streik in einer New Yorker McDonalds-Filiale vor vier Jahren hat diese enorm an Schlagkraft gewonnen. 2014 fanden Streiks in 150 Städten der USA statt. Waren es anfangs vor allem Fast-Food-ArbeiterInnen, weitete sich die Kampagne 2015 auch auf andere Branchen aus, wie das Sozial- und Gesundheitswesen, haushaltsnahe Dienstleistungen und das Baugewerbe. Im April dieses Jahres gab es Arbeitsniederlegungen in 340 Städten. Immer haben die McDonalds-Angestellten dabei eine Schlüsselrolle, so Cortney: »Wenn wir es schaffen, den zweitgrößten privaten Arbeitgeber weltweit zu zwingen, 15 Dollar die Stunde zu zahlen, schaffen wir es überall.« Mittlerweile kündigten die Bundesstaaten New York und Kalifornien, den Mindestlohn anzuheben.
Die gesellschaftspolitischen Folgen der Kampagne sind spürbar. Nachdem sie Jahrzehnte immer stärker an den Rand gedrängt wurden, sei es den US-Gewerkschaften durch die Mindestlohnbewegung gelungen, in der Öffentlichkeit wieder als politische Kraft wahrgenommen zu werden. Das habe nicht zuletzt damit zu tun, dass es sich nicht um eine rein gewerkschaftliche Kampagne, sondern eine breite soziale Bewegung handele.
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