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Die Kaffeekanne lächelt noch

Die Probleme bei der Handelskette Kaiser’s Tengelmann begannen schon vor längerer Zeit

  • Sebastian Weiermann, Mühlheim
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Freitagmittag herrscht eisige Stimmung am Haupttor der Unternehmenszentrale von Kaiser’s Tengelmann in Mülheim. Eine Polizeistreife steht neben dem Tor, private Sicherheitsleute bewachen den Eingang. Ein öffentliches Statement ist nicht geplant, teilt eine Sprecherin mit. Mitarbeiter der Unternehmensgruppe verlassen das Gebäude zum Großteil durch den abgezäunten Park. Dabei gehen sie an einem Springbrunnen und einer lächelnden Kaffeekanne, dem Symbol von Kaiser’s Tengelmann, vorbei. Die wenigen Mitarbeiter, die zur Straße hinaus gehen, wollen nicht reden. »Ich kann keine Auskunft geben« oder »Dazu will ich nichts sagen«, antworten die Menschen. Dabei ist ihnen die Verbitterung und der Frust vom Gesicht abzulesen.

Auch die Laune von Ursula ist nicht gut. Sie sitzt in einem Imbiss, ein paar hundert Meter von der Zentrale entfernt. Als Mittagstisch gibt es heute Backfisch mit Kartoffelsalat. Ursula ist mit einer Freundin verabredet, die Rentnerinnen machen das seit Jahren ein bis zweimal in der Woche. Früher hätten sie als »kleine Sekretärinnen« bei Kaiser’s Tengelmann gearbeitet, erzählt Ursula.

Die Nachricht vom Aus für den Konzern überrascht sie nicht. »Ich telefoniere ja manchmal mit meinen alten Lehrmädchen«. Diese berichteten seit Jahren vom Niedergang des Unternehmens. »Schlimm ist das trotzdem«, erklärt die Rentnerin. Es gebe hier genug Leute, die vom Einkommen bei Kaiser’s Tengelmann leben müssten. Für die würden schlimme Zeiten anbrechen, denn die Zentrale werde bestimmt geschlossen. Früher, da sei man stolz gewesen, in der Zen- trale zu arbeiten.

Früher ist auch die Zeit von Frosch und Schildkröte, die sich küssen, dem allgegenwärtigen Symbol der Tengelmann-Supermärkte seit Mitte der 1980er. Auf den Einkaufstüten wurden die Tierchen noch von einem Regenbogen umrahmt. Frosch und Schildkröte hatten einen ernsten Hintergrund. 1984 nahm die Lebensmittelkette Froschschenkel und Schildkrötensuppe aus dem Programm. Mit dem Auftreten der Grünen und der starken Ökologiebewegung war es auch für Supermärkte angesagt, sich umweltbewusst zu geben. Tengelmann galt in diesem Bereich als Vorreiter. Doch auch die zeitgemäße Eigenvermarktung half Tengelmann nicht. Nach der Zusammenlegung der Märkte von Kaiser’s und Tengelmann Ende der 1990er Jahre dominierte die lächelnde Kaffeekanne das Unternehmensbild.

Die kann auch als Sinnbild für den Niedergang des Unternehmens genommen werden. Die Filialen von Kaiser’s Tengelmann, nach der Zusammenlegung waren es weniger geworden, standen für »Kappes und Kaffee«. Viele waren klein und eng, oft in Innenstadtlagen. Das Produktangebot begrenzt, Parkplätze oft nicht vorhanden. An Neubauten mit großen Parkplätzen und eigenem Café mangelt es. Noch schwerwiegender war möglicherweise, dass Kaiser’s Tengelmann im Vergleich mit den Wettbewerbern als Unternehmen insgesamt zu klein war: Wer mit Zulieferern möglichst preiswerte Einkaufspreise aushandeln will, um günstige Produkte anbieten zu können, ist auf Rabatte für die Abnahme großer Mengen angewiesen. So verlor Kaiser’s Tengelmann über Jahre Marktanteile.

Wer die Schuld am Übernahmedesaster trägt, wird nun heiß diskutiert. Tomaso Duso vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gibt Wirtschaftsminister Gabriel eine Mitschuld, vor seiner Ministererlaubnis hätten die Märkte besser da gestanden, ein Einzelverkauf sei besser möglich gewesen. Aus marktwirtschaftlicher Sicht sei der Einzelverkauf gar nicht so schlecht. Er verhindere eine zu große Macht eines einzelnen Konzerns. Michael Schlecht von der LINKEN-Fraktion im Bundestag sieht die Verantwortlichen aller Konzerne in der Schuld. Für den Kampf um Marktanteile hätten sie die Interessen der Beschäftigten vernachlässigt. An Kaiser’s-Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub appelliert er, nun sozialverträglich zu agieren.

Ursula aus dem Imbiss ist sich bei der Schuldfrage unsicher. »Irgendwie« seien alle Schuld. Aber ausbaden müssten es die Angestellten, egal ob in der Zentrale oder den Märkten. »Das ist, auf gut deutsch gesagt: Mist.«

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