Soll ein Sexroboter einen Orgasmus vortäuschen dürfen?

Mensch und Maschine könnten sich Dank technologischer Entwicklung immer näher kommen. Das wirft neue Fragen der Ethik auf

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 6 Min.

Darf ein Sexroboter einen Orgasmus vortäuschen? Sollte er vielleicht sogar? Die Frage mag auf den ersten Blick wie eine seltsame, nur für einen eher kleinen Teil der Öffentlichkeit interessante anmuten. Doch es steckt mehr dahinter: Je näher sich Mensch und Maschine durch die technologische Entwicklung kommen (können), desto drängender wird nach ethischen Antworten für die Beziehungen zwischen Robotern und uns gesucht.

Ende Oktober etwa lädt die Bundestagsfraktion der Grünen zu einer Konferenz ein, um »über die ethischen Fundamente für ein ›gutes Leben in der digitalen Gesellschaft‹« zu diskutieren. Und dieser Tage sitzen im dänischen Aarhus zahlreiche Sozialwissenschaftler und Philosophen beisammen, um der Frage nachzugehen: »What Social Robots Can and Should Do«.

Roxxxy als Zombie im Bett

Was also sollten Maschinen tun – und was lieber lassen? Die Frage nach dem Sex spielte auch in Aarhus eine kleine Nebenrolle. Auf einem der Panels, die sich mit der Idee der »Phronesis« beschäftigte, verstanden als die praktische menschliche Weisheit, die ein Wissen um das Gute und Angemessene voraussetzt, ging es am Donnerstag dieser Woche auch um die ethische Dimension von Sex zwischen Menschen und Robotern. Angesichts von schlagzeilenträchtigen Meldungen über die Fähigkeiten von Sexualitätsmaschinen wie »Roxxxy« oder »Rocky«, diskutierte dort Charles Ess die Risiken für den Menschen - Motto: Wer sich nur noch auf die Suche nach dem vollkommenen Sex mit Maschinen mache, werde nicht nur im Bett mit Zombies landen, sondern selbst ein solcher werden.

Ähnliche Warnungen hatten schon vor ein paar Monaten die Roboterethiker Kathleen Richardson und Erik Billing formuliert. »Wir glauben, dass die Entwicklung derartiger Roboter zu schädlichen Beziehungen zwischen Mann und Frau, zwischen Erwachsenen und Kindern, und zwischen Männern und Frauen untereinander beiträgt«, erklärte Richardson gegenüber der BBC unter Verweis auf die Gefahren für das menschliche Einfühlungsvermögen. Die beiden Wissenschaftler haben die »Campaign Against Sex Robots« gestartet, mit der auf die sozialen Folgen des Einsatzes der Sexmaschinen hingewiesen werden soll.

Von Olimpia zu den Real Humans

Man denkt hier vielleicht ein bisschen an Olimpia, die »himmlische Schönheit« in E.T.A. Hoffmanns Erzählung »Der Sandmann«, die einen Studenten in den Wahnsinn treibt - und sich als Automat entpuppt. Das war 1816.

Derzeit sind es eher noch Visionen über Roboter, die zu sexuellen Beziehungen oder Handlungen fähig sind - etwa in TV-Serien wie »Real Humans«. Doch längst versprechen Anbieter wie Truecompanion Maschinen für knapp 10.000 Euro mit verschiedener »Persönlichkeit« und sie texten Werbesprüche wie »Sie mag, was Ihnen gefällt« dazu. Ob es wirklich einen größeren Markt dafür geben wird, bleibt abzuwarten. Vor einiger Zeit gab es Meldungen über die Umfrage eines Partnerschaftsportals, laut der sich bei den unter 30-Jährigen immerhin jeder Zweite eine emotionale Beziehung zwischen Mensch und Maschine vorstellen könne. Aber auch eine körperliche?

Georges T. Roos, Gründer eines privat finanzierten Zukunftsforschungsinstituts, sieht gar nicht so eine große Veränderung zu bereits bekannten Phänomenen wie den engen Beziehungen, die einige Menschen bereits jetzt schon mit High-End-Gummipuppen pflegen. Es gehe um die Effekte, die eine Maschine erzeugen könne. »Gelingt die Simulation eines echten Menschen einigermaßen, kann daraus bereits eine emotionale Beziehung entstehen«, wurde Roos schon vor zwei Jahren zitiert.

Geringe Akzeptanz in der Bevölkerung

Der Philosoph und Informatiker Oliver Bendel, der an der Fachhochschule Nordwestschweiz lehrt, beschäftigt sich auch schon länger mit dem Thema - und sieht nicht nur die möglichen Risiken für Mensch und Gesellschaft. Das, was man heute unter Sexrobotern versteht, wird zum Beispiel mit Blick auf einen möglichen »Einsatz« von Menschen, die sonst aus gesundheitlichen oder anderen Gründen kaum Möglichkeiten sexueller Praxis hätten. »Vorteile von Sexrobotern sind ständige Verfügbarkeit, relativ gute Hygiene bei richtiger Verwendung und Entlastung von Sexarbeiterinnen und -arbeitern«, schreibt Bendel in einem soeben erschienen Telepolis-Sammelbändchen zur Maschinenethik. Dem stehe unter anderem »die geringe Akzeptanz in der Bevölkerung« gegenüber.

Sex mit Robotern werde, sagt Bendel, für die einen »auf der gleichen Stufe stehen wie Sex mit Tieren« und für die andern »eine lustvolle Bereicherung und ein langfristiger Beitrag zur Gesundheit sein«. So oder so stellen sich viele Fragen. Soll ein Sexroboter selbst aktiv werden dürfen? Welche »moralischen Fähigkeiten« sollten in so einer Maschine implementiert sein? Oder sollen gar Gefühle simuliert werden? Wo darf ein Roboter Sex haben, was passiert mit womöglich gesammelten Daten, soll der Zugang für Jugendliche verfügbar sein, wie reagieren Menschen auf Scham, der durch Maschinen hervorgerufen wird und so fort?

Die gesellschaftliche Linke und die Maschinenethik

Die Entwicklung auf technischem Gebiet läuft - und die geisteswissenschaftliche Forschung versucht Schritt zu halten. Ende Dezember findet in London der bereits zweite internationale Kongress mit dem Titel »Love and Sex with Robots« statt. Es geht um die privatesten Bereiche der zunehmenden Mensch-Roboter-Interaktion. Und damit um Grundfragen der Maschinenethik. Derweil geht die Konferenz im dänischen Aarhus an diesem Freitag zu Ende. Wie nach dem vorangegangenen Treffen 2014 wird es eine Sammlung der dort diskutierten Beiträge geben.

Einen schnelleren Einblick in den Stand der Diskussion ermöglicht das bereits angesprochene Sammelbändchen »Programmierte Ethik. Brauchen Roboter Regeln oder Moral?« Benötigen intelligente Maschinen eine eigene Ethik? Wer schafft diese? Und müssen sie als digitale Personen verstanden werden - und sollten sie womöglich Rechte bekommen? Es könnte angesichts der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung sein, dass hierfür viel schneller als bisher Antworten gefunden werden müssen.

Ob sich dann dabei eine marktkonforme Ethik durchsetzt, inwieweit soziale Fragen und solche der Verteilung beim Einsatz von Robotern Berücksichtigung finden, wer politischen und ökonomischen Einfluss auf die Weichenstellungen im Verhältnis Mensch-Maschine haben wird - all das hängt nicht zuletzt davon ab, ob und wie sich auch die gesellschaftliche Linke für das Thema interessiert.

Die Roboter - sie sind jedenfalls längst da, nicht nur in Industriebetrieben und als autonome Rasenmäher, sondern auch im Pflegebereich, in Schulen, als soziale Begleiter. Oder im Schlafzimmer. Womit wir wieder bei der eingangs gestellten Frage wären. »Die Roboter kommen«, schreibt Oliver Bendel. »Die Frage ist nur, wie sie kommen. Laut oder leise?«

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