Unternehmer will Taifune nutzen

Tropische Wirbelstürme haben bisher einen Aufstieg der Windkraft verhindert

  • Susanne Steffen, Tokio
  • Lesedauer: 3 Min.

Jedes normale Windrad muss ab Windgeschwindigkeiten von rund 25 Metern pro Sekunde den Betrieb einstellen. Taifunstürme, die in Japan nicht selten mit Geschwindigkeiten von 40 Metern pro Sekunde (144 Stundenkilometer) und mehr wüten, zerstören regelmäßig Propelleranlagen. »Die meisten japanischen Windanlagen sind durch Taifune beschädigt«, berichtet Ingenieur Atsushi Shimizu, Das sei auch ein Grund, warum die Regierung bislang beim Ausbau der Erneuerbaren viel mehr auf Solarstrom setze als auf Windkraft.

»Aber Japans Potenzial ist in der Windkraft viel größer, es wird nur nicht genutzt«, fügt der 37-jährige Unternehmer hinzu. Er will der Windenergie auf Nippon zum Durchbruch verhelfen. Mit seinem Start-up Challenergy hat er nach eigenen Angaben das erste taifunresistente Windrad der Welt entwickelt.

Dies muss aber noch den Praxistest bestehen. Seit Juli steht ein Prototyp des Windrads im taifungeplagten südjapanischen Okinawa. Anfang September traf der erste Taifun mit Spitzengeschwindigkeiten von 30 Metern pro Sekunde auf das neuartige Windrad. Es habe ohne Unterbrechungen Strom erzeugt, berichtet Shimizus Firma stolz auf ihrer Homepage. Details über die erzeugte Strommenge wollen die Ingenieure aber noch nicht preisgeben.

Auf den ersten Blick erinnert die sieben Meter hohe Konstruktion eher an einen gigantischen Schneebesen als an ein Windrad. Vor allem in zwei Dingen unterscheidet sich der Taifunstromgenerator von herkömmlichen Windrädern: Zum einen ist die Aufhängung der Turbine nicht fest, damit sie sich den plötzlichen Änderungen der Windrichtung während eines Taifuns anpassen kann. Zum anderen wird mittels des sogenannten Magnus-Effekts die Rotorgeschwindigkeit kontrolliert und verhindert, dass der Rotor außer Kontrolle gerät. So könne die Anlage Windgeschwindigkeiten von bis 80 Metern pro Sekunde standhalten, also 288 Stundenkilometern.

Erste Tests hatten der Maschine einen Wirkungsgrad von 30 Prozent attestiert. Im Vergleich zu den 40 Prozent bei herkömmlichen Windrädern ist das wenig. Doch angesichts der riesigen Energiemengen, die während eines Tropensturms erzeugt werden können, scheint dieses Manko verzeihlich.

Ein starker Taifun produziere so viel kinetische Energie, dass Japan davon 50 Jahre seinen Strombedarf decken könnte, erklärt Shimizu unter Berufung auf Berechnungen des japanischen Verkehrsministeriums.

Im Durchschnitt nähern sich jedes Jahr etwa elf Taifune dem ostasiatischen Inselstaat. In normalen Jahren treffen drei dieser Stürme an Land. In diesem Jahr wurde Japan bereits von sechs Tropenstürmen heimgesucht. Wissenschaftler warnen, dass angesichts der Erderwärmung in Zukunft mit häufigeren und stärkeren Stürmen zu rechnen sei.

Unterstützung erhielt Jungunternehmer Shimizu auch von der staatlichen New Energy and Industrial Technology Development Organization (NEDO), welche das Projekt finanziell fördert. Bevor die Taifunturbinen jedoch die Windbranche revolutionieren können, müssen noch einige Probleme gelöst werden. Selbst wenn es Shimizu gelingen sollte, tatsächlich Taifunstrom zu produzieren, ist beispielsweise noch unklar, wie diese riesigen Strommengen gespeichert werden können.

Für Japan, das derzeit mehr als 80 Prozent seiner Energie importiert, könnte ein Durchbruch in der Taifuntechnologie möglicherweise auch ein Schritt in Richtung Energieautarkie sein. Bis zu der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 hatte man vor allem auf Atomenergie gesetzt, was seit der dreifachen Kernschmelze auf Widerstand in der Bevölkerung stößt. In Zukunft sollen Atomenergie und Erneuerbare zu etwa gleich wichtigen Pfeilern der Energieversorgung ausgebaut werden.

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