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Leih-Lehrer aus dem Nachbarland

15 Jahre nach Crostwitzer Schulstreik fehlen im Sorbengebiet nicht Schüler, sondern Lehrer

  • Hendrik Lasch, Crostwitz
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer Zivilcourage zeigen wollte, der musste früh aus dem Bett kommen. Morgens sieben Uhr fanden die Versammlungen statt, mit denen Eltern und Lokalpolitiker ab dem 9. August 2001 gegen die Schließung der sorbischen Mittelschule Crostwitz protestierten. Vier Wochen lang hielt die Aktion das Land in Atem. Fernsehen und Zeitungen berichteten weit über das sorbische Siedlungsgebiet in Ostsachsen hinaus; der Schulausschuss des Landtags sah sich zu Sondersitzungen genötigt, die sogar öffentlich abgehalten wurden. Der Streik sei die größte politische Aktion der Sorben zur Verteidigung ihrer Rechte gewesen, sagte der Schriftsteller Jurij Koch später. Ohne ihn, betont der damalige Bildungspolitiker der PDS-Landtagsfraktion und jetzige Bundestagsabgeordnete André Hahn, »gäbe es heute vielleicht gar keine eigenständigen sorbischen Schulen mehr«.

Die gibt es weiterhin. Zwar konnte die Mittelschule in Crostwitz trotz des massiven Widerstands und einer Klage nicht gehalten werden; der Streik wurde am 4. September 2001 beendet. Das Dresdner Kultusministerium hatte per »Mitwirkungsentzug« den Geldhahn zugedreht, weil die Zahl der Schüler nicht mehr den Vorgaben des Schulgesetzes entsprach. Der Protest dürfte aber dazu beigetragen haben, dass man vor weiteren Einschnitten zurückschreckte. Das sorbische Schulnetz umfasst so neben zwei Gymnasien und etlichen Grundschulen weiter auch vier Oberschulen, so die heutige Bezeichnung.

Gleichwohl ist es weiter in Gefahr - nur, dass diese inzwischen aus einer anderen Richtung droht. In sorbischen Dörfern fehlt es nicht mehr an Kindern; Orte wie Nebelschütz, wo 1992 die Grundschule dicht gemacht wurde, denken bereits darüber nach, eine neue Schule zu eröffnen. Doch erwartet sie das gleiche Problem wie die bestehenden Schulen: Es gibt keine Lehrer. Bis zum Jahr 2025, sagt Ludmila Budar, Vorsitzende des Sorbischen Schulvereins, werden 99 Lehrer fehlen. Wenn sich nichts Grundlegendes ändert, sagt Cornelia Falken, Bildungspolitikerin der LINKEN im Landtag, »gibt es schon in sechs Jahren keinen Lehrer mehr, der richtig Sorbisch kann«.

Der Mangel an Lehrern ist kein rein sorbisches Problem. Überall im Freistaat fehlen Lehrkräfte, weil es das CDU-geführte Ministerium lange versäumte, für ausreichend Neueinstellungen zu sorgen. Im Fall der Sorben leidet darunter freilich nicht nur die Qualität des Unterrichts; vielmehr ist der Erhalt der Sprache und Kultur gefährdet. Im Sommer hat die Regierung reagiert. Das für die Lehrerausbildung zuständige Ministerium für Wissenschaft kündigte an, es solle etwa Stipendien geben, es solle breiter um Interessenten geworben werden - und die Voraussetzungen für das Studium am Institut für Sorabistik an der Universität Leipzig sollten gelockert werden. Die Beherrschung der sorbischen Sprache soll keine Bedingung für das Lehrerstudium mehr sein; es reichen auch Kenntnisse einer anderen slawischen Sprache.

Sorbische Experten sind skeptisch. »Es dauert sehr lange, ehe ein Deutscher Sorbisch lernt«, sagt Ludmila Budar, »und es geht ja auch nicht nur um Sprache, sondern die Vermittlung einer Identität.« Sie hofft auf Quereinsteiger. Denen wiederum, erwidern Fachleute wie Falken, fehlt es oft an pädagogischem Rüstzeug.

Zudem hoffen die Sorben auf Hilfe aus dem Nachbarland Tschechien. Eine Ausbildung in Sorabistik gebe es etwa an der Universität Ústí nad Labem, sagt Petr Brázda, Abgeordneter der KSČM im dortigen Regionalparlament. Auch könnten Tschechen, die das binationalen Gymnasium Pirna absolviert haben, Sorabistik in Leipzig studieren. Eigentlich, sagt Brázda, sehe man in Tschechien die Abwerbung von Fachkräften ja kritisch. Einen »Akt der Solidarität« mit dem sorbischen Brudervolk, fügt er hinzu, »würde man aber wohl akzeptieren«.

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