Linke pocht auf Mindestrente von 1.050 Euro

Fraktionschef Bartsch: SPD-Nahles will Millionen Schicksale von Rentnern nicht sehen / Forscher und Sozialverband fordern bessere Altersabsicherung

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Berlin. Die zuständige SPD-Ministerin nimmt Abschied von ihren Plänen zur Lebensleistungsrente zur Aufwertung von geringen Altersbezügen – und prompt steht Andrea Nahles in der Kritik der Linkspartei. Fraktionschef Dietmar Bartsch verwies gegenüber der Deutschen Presse-Agentur unter anderem auf auf die steigende Quote der von Armut bedrohten Über-65-Jährigen. Hinter den Statistiken würden sich Millionen Schicksale von Rentnern verbergen, sagte Bartsch. Nahles wolle dies nicht sehen - »weder die Menschen, die nach einem Leben harter Arbeit nun in Armut leben oder von dieser zunehmend bedroht sind«.

Zur Absicherung der Rente von Geringverdienern und von Armut bedrohten pochte der Linksfraktionschef auf Einführung einer Mindestrente. »Wir brauchen eine große Rentenreform, die den Lebensstandard im Alter sichert und Altersarmut verhindert«, sagte er in Berlin. »Deshalb ist eine Mindestrente von 1.050 Euro notwendig.«

Auch der Sozialforscher Gerhard Bäcker appellierte in der Rentendebatte an die Politik, insbesondere Geringverdiener besser abzusichern. »Die Situation von Niedrigverdienern ist hochproblematisch«, sagte der Experte von der Universität Duisburg-Essen gegenüber »neues deutschland«. Sie seien oft völlig unzureichend fürs Alter abgesichert.

Bäcker plädiert dafür, den Arbeitsmarkt zu re-regulieren, damit Beschäftigte höhere Einkommen - und damit auch höhere Renten - erzielen. Das Rentenniveau solle zumindest auf dem jetzigen Niveau stabilisiert und die sogenannte Rente nach Mindesteinkommen wieder eingeführt werden. Dadurch würden Geringverdiener höhere Rentenansprüche erwerben.

Insbesondere für Menschen am unteren Einkommensende müsse sich die deutsche Politik etwas einfallen lassen, sagte auch der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts IMK, Gustav Horn, dem »nd«. Denkbar sei etwa eine Mindestrente, die aus Steuermitteln finanziert werde.

Nach Daten der Industrieländer-Organisation OECD sind die Rentenansprüche von Geringverdienern hierzulande im internationalen Vergleich sehr niedrig. Demnach können Geringverdiener in Deutschland mit einer gesetzlichen Netto-Rente von 53 Prozent ihres früheren Nettolohns rechnen, im OECD-Durchschnitt liegt das Niveau demnach mit 74 Prozent deutlich höher.

Auch der Sozialverband VdK forderte deutliche Schritte zur Reform der Rente. »Wir können den Rentnern schwer erklären, dass Milliarden für die Bankenrettung zur Verfügung gestellt werden, aber wir uns eine Stabilisierung des Rentenniveaus nicht leisten können«, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher.

Sozialministerin Nahles will ihrerseits neue Vorschläge gegen drohende Altersarmut von Geringverdienern und Selbstständigen vorlegen. Dabei nimmt sie von den bisherigen Konzepten für eine Lebensleistungsrente zur Aufwertung von kleinen Renten Abschied. Das kündigte Nahles im Rentendialog mit Verbänden, Gewerkschaften und Arbeitgebern an, wie Teilnehmer am Montag berichteten.

Demnach lasse sich das Ziel, die Lebensleistung auch von Geringverdienern besser in der Rente zu würdigen und Betroffene vor Altersarmut zu schützen, nicht gut genug innerhalb der Rentenversicherung lösen. Laut Koalitionsvertrag sollen die Rentenpunkte langjähriger Beitragszahler mit niedrigen Rentenanwartschaften aufgewertet werden. Ein Problem dabei: Viele Kleinrentner leben in Haushalten mit hohem Einkommen und sind gar nicht arm. Welchen Alternativvorschlag Nahles machen will, hat sie Teilnehmern zufolge aber noch nicht gesagt.

Verbessern will sie auch die Alterssicherung von Selbstständigen. Dort gebe es eine Schutzlücke, sagte Nahles nach dem Treffen. Klar gemacht hat sie in interner Sitzung Teilnehmern zufolge, dass sie die Absicherung für die Rente und für den Krankheitsfall gemeinsam betrachten wolle. Hintergrund ist, dass eine zusätzliche Versicherungspflicht für die Rente angesichts bereits hoher Krankenkassenkosten für viele Selbstständige kaum bezahlbar wäre.

Deutlich geworden sei bei dem Rentendialog auch, dass Nahles Verbesserungen für Erwerbsgeminderte anstrebt. Derzeit müssen Erwerbsminderungsrentner Abschläge von 10,8 Prozent hinnehmen. Viele sind zusätzlich auf Grundsicherung angewiesen. In dem internen Treffen machte sich Nahles für eine »doppelte Haltelinie« stark, wie Teilnehmer berichteten. Das Rentenniveau dürfe nicht zu tief fallen, die Beiträge nicht zu stark steigen. Dass sie in ihrem für November angekündigten Rentenkonzept ein Mindestniveau für 2045 nennen will, hatte Nahles schon angekündigt. Weiter nannte sie keine Zahl.

CDU und CSU haben sich laut CSU-Chef Horst Seehofer auf das »Fundament« für die weiteren Verhandlungen über die Rente mit der SPD verständigt. Auch Seehofer sprach von einer »doppelten Haltelinie«. Die »allerwichtigste Frage« sei die des Rentenniveaus. Es dürfe nicht »endlos abrutschen«. Andererseits dürften die Beitragsätze nicht explodieren. Die SPD verlangt ein Rentenkonzept der Koalition mit Verbesserungen für Erwerbsgeminderte, Geringverdiener und Selbstständige, wie Fraktionsvize Carola Reimann der dpa sagte. »Wir wollen das in dieser Legislaturperiode«, sagte sie. Agenturen/nd

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