Wütende Proteste gegen Altersarmut in Chile
Zehntausende Menschen gehen gegen das privatisierte Rentensystem auf die Straße / Heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei
Berlin. Zehntausende Menschen haben in Chile gegen das privatisierte Rentensystem protestiert. In der Hauptstadt Santiago de Chile kam es am Freitag (Ortszeit) zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, wie die Zeitung »La Tercera« berichtete. Die Polizei war mit Wasserwerfern im Einsatz und versprühte Tränengas. Mehr als 40 Personen wurden festgenommen. Demonstranten errichteten Straßensperren aus brennenden Barrikaden und warfen Molotowcocktails. Mehrere Busse gerieten in Brand. Der öffentliche Nahverkehr kam zum Erliegen.
Es war der dritte landesweite Protest gegen das Rentensystem innerhalb der vergangenen Monate. Nach offiziellen Angaben nahmen 75.000 Menschen an den Demonstrationen teil. Die Proteste am Freitag fielen zusammen mit einem Streik der Angestellten des öffentlichen Dienstes, die für mehr Lohn kämpfen. Präsidentin Michelle Bachelet wandte sich im Fernsehen an die Demonstranten und rief zum »nationalen Dialog« auf. Das Rentensystem müsse nachhaltig gestaltet werden, sagte sie. »Das braucht Zeit und Dialog.« Gleichzeitig verurteile sie via Kurznachrichtendienst Twitter die Gewalt bei den Demonstrationen.
1981, unter der Diktatur von Augusto Pinochet (1973 bis 1990), wurde das staatliche Rentensystem reformiert und es wurden private Fonds eingerichtet. In der Folge sanken die Renten immer weiter. Rund 90 Prozent der Ruheständler erhalten derzeit umgerechnet etwa 210 Euro Rente, die damit noch unter dem Mindestlohn liegt. Bachelet hatte im August Reformpläne vorgelegt, welche die Gewerkschaften aber als unzureichend zurückwiesen. Chile ist eines der wenigen Länder weltweit, das sein Sozialversicherungssystem privatisiert hat. Die Rentenfonds werden von privaten Unternehmen verwaltet, die dafür hohe Kosten veranschlagen. Zudem bekommen Rentner weit weniger als die eingezahlten Beiträge heraus. Folge ist eine ständig steigende Altersarmut. epd/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.